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Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hope Cavendish
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wollten.
    Zumindest einer war trotz aller Trauer angesichts der bevorstehenden Reise freudig erregt: Jean-Marc konnte es gar nicht fassen, dass er nunmehr die Chance bekommen sollte, das Heimatland seines Vaters kennenzulernen.
    Anfang Februar 1691 war es schließlich so weit und wir bestiegen das Schiff Richtung Alte Welt.
     

Aristokratisch
     
    Die Seefahrt nach Frankreich war aufgrund einiger Frühjahrsstürme wesentlich unruhiger als meine damalige Reise von Bristol nach Boston. Jean-Marc, dem das starke Schaukeln des Schiffes nicht sehr gut bekam, verbrachte die meiste Zeit unter Deck. Maddy hingegen wollte sich von ihrer Trauer nicht erneut erdrücken lassen und leistete mir daher oft an Deck Gesellschaft, wo wir schweigend den tobenden Elementen der Natur zusahen und uns den kalten Wind um die Nase blasen ließen.
    Obwohl ich auch ein wenig Heimweh nach England hatte, war ich sehr neugierig auf Frankreich. Ich hatte ja in Neufrankreich schon einiges von der französischen Lebensart mitbekommen und fand vieles davon sehr unterhaltsam. Auch blickte ich dem Umstand, in das Ursprungsland der Sybarites zu reisen, mit einer Mischung aus Aufregung, Unbehagen und Spannung entgegen. Kurz vor unserer Abreise hatte ich noch einen Brief von Don Francisco de Alvarellos erhalten, in dem dieser mir mitteilte, dass er inzwischen nach Spanien zurückgekehrt sei und sich nunmehr nach Weggefährten im Feldzug gegen die Sybarites umschauen wolle. Obgleich wir nun gerade mal zu dritt waren, erfüllte es mich dennoch mit einer gewissen Zuversicht, in ihm einen Verbündeten für meine Pläne gefunden zu haben.
     
    Nach zwei Monaten lief unser Schiff Le Havre in Frankreich an. Von hier aus war es nur noch eine relativ kurze Reise nach Fontainebleau in der Provinz Gâtinais Français, wo Alexandres Familie ihren Stammsitz hatte.
    Alexandres einzige lebende Verwandte, sein Cousin Pierre-Antoine mit seiner Frau Cyrielle und seinen drei erwachsenen Kindern, empfingen uns recht frostig. Sie verwalteten den hochherrschaftlichen Besitz, seit Alexandre nach Neufrankreich gegangen war, und befürchteten, dass sie jetzt eventuell ausziehen müssten, da Maddy als rechtmäßige Erbin Alexandres hier aufgetaucht war. Darüber hinaus waren sie auch nicht gut auf den Umstand zu sprechen, dass wir Engländerinnen waren.
    Jean-Marc hingegen bestaunte alles mit großen Augen. Bereits auf der Reise von Le Havre nach Fontainebleau hatte er fast ständig den Kopf aus dem Fenster der Kutsche gestreckt und fasziniert die Unterschiede zwischen der zentralfranzösischen Landschaft und der in Nordamerika festgestellt. Der beginnende Frühling ließ ihm hier alles nur umso lieblicher erscheinen. Überall spross das Grün und die ersten frühen Blumen zeigten ihre zarten Knospen. Vom prächtigen Anblick des Gutes Fontainebleau war Jean-Marc schließlich so beeindruckt, dass er gar nicht verstand, warum Alexandre einst von hier fortgezogen war. Doch schon bald kamen wir dahinter, dass auch in Fontainebleau nicht alles Gold war, was glänzte.
    Nachdem Cyrielle uns missmutig unsere Zimmer gezeigt hatte, richteten wir uns zunächst ein und erkundeten dann die Umgebung. Das Gut Fontainebleau bestand aus einem nahezu palastähnlichen Herrenhaus und riesigen Ländereien, von denen etliche Acres an Lehnsleute verpachtet worden waren. Unweit des malerischen Städtchens Fontainebleau befand sich der gleichnamige Wald, ein ebenso großes wie romantisches Gebiet mit dichtem Eichen- und Kiefern-Bestand sowie zahlreichen, bizarr geformten Sandsteinfelsen. Für Maddys und meinen Speiseplan hielt das Waldgebiet von Fontainebleau eine reichhaltige Palette an Hirschen, Rehen, Füchsen und Wildschweinen nebst etlichem Kleinwild parat.
    Einer der Sandsteinfelsen wurde von den Bewohnern der Region »L’Éléphant« genannt, weil er genau die Form eines stehenden Elefanten hatte. Diesen Felsen hatte Alexandre in seinem Testament als den Ort angegeben, an dem seine Asche verstreut werden sollte, weil er in seiner Jugend so gerne durch diesen Wald gewandert war.
    Also suchten Maddy, Jean-Marc und ich diesen Ort in der Dämmerung mit Alexandres Urne auf und verstreuten dort feierlich seine Asche. Jean-Marc sprach auf Maddys Bitte hin ein französisches Gebet und dann nahmen wir alle still und endgültig Abschied von Alexandre.
     
    Am nächsten Morgen bat Maddy mich, sie zu der geschäftlichen Unterredung zu begleiten, zu der Pierre-Antoine sie gebeten hatte, und ich willigte ein.

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