Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
gleichfalls zu einer militärischen Auseinandersetzung in den Kolonien führen konnten. Natürlich belastete es Maddy und Alexandre schwer, dass ihre beiden Heimatländer Krieg gegeneinander führen wollten.
Im Kontext dieser Querelen hatte es in den letzten Jahren auch immer wieder Angriffe der Irokesen auf Québec und andere große Siedlungen Neufrankreichs gegeben. Die Irokesen waren einst ein Verbündeter der französischen Kolonialmächte gewesen. Als Neufrankreich jedoch begann, ihre Feinde, die Huronen, zu unterstützen, hatten sich die Irokesen auf die Seite der Engländer geschlagen. Und nun bemühten sie sich nach allen Kräften, die französischen Eindringlinge zu vertreiben.
Das Anwesen Fontainebleaus war bislang immer von Irokesen-Angriffen verschont geblieben, doch in der Unterstadt war es bereits zu etlichen blutigen Auseinandersetzungen gekommen, bei der nicht wenige Siedler ihr Leben gelassen hatten.
Was das bedeutete, bekam ich in den nächsten Wochen selbst hautnah mit. Immer wieder kam es zu Überfällen der Irokesen auf Québec. Und obwohl es Alexandre überhaupt nicht zusagte, entschlossen Maddy und ich uns, die Siedler im Kampf zu unterstützen. Also begannen wir wieder, in den Nächten in der Stadt zu patrouillieren. So konnten wir im Falle eines Angriffs schnell einschreiten, verrieten uns in der Dunkelheit aber nicht durch unsere übermenschlichen Kräfte.
Eines Tages erhielt ich während einer Nachmittagsgesellschaft die Kunde, dass die Irokesen gerade einen Stadtteil überfielen, in dem – wie ich inzwischen wusste – Jean-Marc mit seinem Großvater lebte. Ich sah entsetzt zu Maddy herüber, die am anderen Ende des Raumes stand. Aufgrund ihres feinen Gehörs hatte sie die Nachricht natürlich mitbekommen und nickte mir zu. Sie warf einen raschen Seitenblick auf Alexandre, der in ein Gespräch vertieft war. »Geh!«, flüsterte sie mir dann fast tonlos zu, »Alexandre wird es nicht gutheißen, aber du wirst schon weg sein, ehe er es merkt.«
Ich nickte dankbar und rannte in mein Zimmer rauf, um dort mein Kleid gegen Hemd, Wams und Hosen meiner Jagdtracht zu tauschen. Dann raste ich in die Stadt.
Schon von weitem vernahm ich die Kampfgeräusche und abgehackten Schreie. Einmal mehr offenbarte sich mir dann der grausame Anblick des Kampfes. Die Irokesen waren sehr wendige Kämpfer und verrichteten ihr blutiges Werk kompromisslos und in rasantem Tempo. Schon etliche Menschen lagen skalpiert und mit tödlichen Wunden am Boden, als ich schließlich zu Monsieur de Tiphaines Haus vordrang. Ich hörte Schreie hinter dem Haus und rannte dorthin. Ich erblickte eine Gruppe Irokesen im Kampf mit den Dienstboten Monsieur de Tiphaines. Einer von ihnen war gerade im Begriff, Jean-Marcs Großvater sein Tomahawk in die Seite zu schlagen. Mit einem lauten Fauchen sprang ich dazwischen und riss den Irokesen beiseite und entledigte ihn mit einer fließenden Bewegung seines Schlagarmes. Der Irokese sank ohnmächtig zu Boden. Ich behielt seinen Arm mit dem nach wie vor starr umklammerten Tomahawk in der Hand und wandte mich damit blitzartig seinen Stammesbrüdern zu. Diese hatten leider mit den Dienstboten schon kurzen Prozess gemacht und starrten mich jetzt wachsam an.
Im Augenwinkel bemerkte ich, wie von der Seite einer von ihnen auf mich zugerannt kam und hochsprang. Mit einer jähen Bewegung schwang ich den Arm mit dem Tomahawk durch die Luft und spaltete seinen Körper. Ich hatte mich schon wieder zu den anderen umgedreht, als die beiden Hälften hinter mir mit einem dumpfen Geräusch zu Boden knallten.
Nun standen noch fünf Irokesen vor mir, die ihre Position nicht verändert hatten und mich immer noch anstarrten.
Schließlich ließen sie alle ihre Waffen fallen und ihre Arme sinken. Vier von ihnen senkten den Kopf, während der fünfte, offenbar ihr Anführer, mir ruhig zunickte.
»Diese Leute stehen unter meinem Schutz«, erklärte ich ihm eindringlich, »also wird euer Stamm dieses Viertel in Ruhe lassen.«
Er nickte erneut und die fünf verschwanden lautlos.
Ich drehte mich rasch um und wandte mich dem am Boden liegenden Monsieur de Tiphaine zu. Er starrte mich mit diffusem Blick an. »Wer zum Teufel seid Ihr?«, flüsterte er kraftlos.
»Wo ist Jean-Marc?«, fragte ich ihn.
Er blickte an mir vorbei, dann fielen ihm die Augen zu und sein Kopf sank nach hinten. Er war tot.
Suchend schaute ich in die Richtung, in die sein letzter Blick gegangen war, und erblickte Jean-Marc, schwer
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