Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
verletzt an eine Gartenmauer gelehnt. Er starrte mich mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen an. Mit einem Satz war ich bei ihm und untersuchte seine Verletzungen, während sein geschockter Blick weiterhin auf mir ruhte.
Ich seufzte und schloss einen kurzen Augenblick die Lider. Die Brutalität meines Vorgehens überraschte mich ja selbst, wie sollte ich da Jean-Marc erklären, was soeben vor seinen Augen geschehen war? Aber die Irokesen hatten mir keine Wahl gelassen, ich hatte schnell handeln müssen. Schnell und effizient.
Ich sah Jean-Marc eindringlich an. »Hör zu!«, begann ich sanft aber bestimmt. »Ich weiß, dass ich dir einen Schreck eingejagt habe und ich werde dir auch baldmöglichst alles erklären, aber zuerst müssen wir uns um deine Verletzungen kümmern. Vertraust du mir?«
Seine Augen waren immer noch riesengroß, aber er nickte zögernd.
Und so nahm ich ihn vorsichtig auf die Arme und brachte ihn zu uns nach Hause.
Ich trug Jean-Marc unbemerkt über die Dienstboten-Treppe auf mein Zimmer, legte ihn auf mein Bett und holte rasch Maddy, da sie sich in der Heilkunde immer noch bei weitem besser auskannte als ich. Maddy warf einen schnellen Blick auf Jean-Marcs Verletzungen und wies dann die Dienerschaft an, ihr frisches Verbandsmaterial und etwas zum Reinigen der Wunden zu besorgen. Der Reinigungsvorgang schien ihm Schmerzen zu bereiten, aber er biss die Zähne zusammen. Ich strich ihm tröstend durch das Haar. Als Maddy Jean-Marcs Wunden so weit versorgt hatte, nahm ich sie kurz beiseite.
»Wie sieht es aus?«, fragte ich sie.
Maddy warf einen zögernden Blick auf Jean-Marc, dann sah sie mich an. »Er hat nicht gerade wenig Blut verloren, aber er ist jung und zäh«, erklärte sie. »Wir müssen einfach die nächsten Tage abwarten. Das Wichtigste ist, dass sich keine Wunde entzündet und er kein Fieber bekommt. Was ist mit seinem Großvater?«
»Tot«, antwortete ich knapp, »ebenso wie alle Dienstboten. Die Irokesen haben ganze Arbeit geleistet.«
Maddys Gesicht verdüsterte sich. »Konntest du einen von ihnen erwischen?«
»Zwei«, erwiderte ich. »Die restlichen haben, denke ich, begriffen, dass es ihrer Gesundheit nicht zuträglich ist, sich meinen Zorn zuzuziehen. Ich habe ihnen gesagt, dass das Viertel unter meinem Schutz steht.«
»Hat dich sonst irgendjemand beim Kampf gesehen?«, fragte Maddy vorsichtig.
»Niemand, der jetzt noch lebt«, entgegnete ich grimmig.
Maddy verließ den Raum und ich wandte mich wieder Jean-Marc zu, der mich erschöpft ansah. »Hast du Durst?«, fragte ich ihn.
Er nickte und ich hielt ihm ein Glas Wasser an die Lippen, aus dem er in unbeholfenen Schlucken trank. Dann lehnte er sich stöhnend in die Kissen zurück.
»Du solltest jetzt versuchen, etwas zu schlafen, damit du dich erholen kannst!«, wies ich ihn an.
Er sah mich flehend an. »Bleibt Ihr bei mir?«
»Wenn du es möchtest.« Ich zog mir einen Sessel heran und setzte mich zu ihm ans Bett.
Er lächelte schwach und schloss dann die Lider. Schon bald war er in einen unruhigen Schlaf gesunken.
Nach einer Stunde kam Maddy leise ins Zimmer. »Willst du dir denn nicht mal frische Kleidung anziehen?«, fragte sie flüsternd.
Ich blickte an meiner blutbesudelten Jagdtracht herab. »Ich habe versprochen, bei ihm zu bleiben«, gab ich lautlos zurück.
»Ich bleibe solange bei ihm«, erklärte Maddy bestimmt, »damit er nicht alleine ist, falls er aufwacht. Obwohl ich nicht glaube, dass er in den nächsten Stunden wach wird.«
Ich ging nach nebenan in mein Ankleidezimmer, wusch mich dort ausgiebig und zog ein frisches Hauskleid an. Dann stopfte ich die Jagdtracht in den Kamin und sah zu, wie sie verbrannte. Wenn ich auf der Jagd versehentlich Tierblut darauf gekleckert hatte, hatte ich die Tracht immer reinigen lassen. Die Spuren des heutigen Kampfes hingegen wollte ich endgültig löschen.
Zurück in meinem Zimmer erkannte ich, dass Maddy natürlich recht gehabt hatte: Jean-Marc schlief immer noch tief und fest und inzwischen auch Gott sei Dank etwas ruhiger als zuvor.
Jean-Marc schlief auch in den nächsten drei Tagen fast ununterbrochen. Zwischendurch bekam er von Maddy stärkende Brühe verabreicht, sowie Quittenkompott und einen Tee aus Andorn und Isländisch Moos zur Blutbildung. Am zweiten Tag hatte er leichtes Fieber bekommen, welches zu unserer Erleichterung am dritten Tag jedoch wieder verschwunden war.
Alexandre war natürlich in der Zwischenzeit von Maddy über die Vorfälle
Weitere Kostenlose Bücher