ZEITLOS - Band 2 (German Edition)
Gertulek!«
»Da gibst du dir die Antwort selbst, ich denke an Gertulek. Dessen Herz versagte, weil einfach keine Liebe darin war« Kerstins Gestalt straffte sich bei diesen Worten. »Ich werde es tun! Aber ihr müsst mir mit ganzer Kraft beistehen. Ich werde es tun!« Entschlossenheit grub sich in ihr Gesicht. Birte erschrak, als sie ihre Freundin so stehen sah. Ausgerechnet in diesem Moment fiel ein goldener Sonnenstrahl aus der Wolkendecke und ließ Kerstins Gesicht flammend aufleuchten – wie das eines Erzengels. Sie bekam augenblicklich eine Gänsehaut und wandte sich zutiefst aufgewühlt ab.
Die Nachricht vom Auftritt des Eckernförder Gospelchores hatte sich in Garding und Umgebung rasch herum gesprochen und man freute sich darauf, endlich einmal wieder so etwas wie Kultur erleben zu dürfen. Die vergangenen anderthalb Jahre seit dem Ereignis waren angefüllt mit Ängsten, Bemühungen und des sich Einstellens auf die veränderten Alltagsbedingungen, dem Kampf ums Überleben. Viele hatten erst in diesem Sommer ihre erste Gemüseernte im heimischen Garten mit Freude und Dankbarkeit erlebt.
Deshalb freute man sich ganz besonders auf dieses Konzert, denn die Menschen hatten natürlich auch schon von der Eckernförder Pastorin gehört, die mit diesem Chor gemeinsam auftrat und deren Gospelandachten, wie man sich erzählte, stets von fulminanter Wirkung waren.
Kerstin wurde wohl deshalb von ihrem Gardinger Kollegen, dem Pastor Asmussen, gebeten, vor dem Beginn des eigentlichen Konzertes eine kleine Andacht zu halten. Gern kam sie dieser Bitte nach, sie brauchte dafür keinerlei Vorbereitung. Wegen dieser kleinen Änderung im geplanten Konzertablauf, kam man überein, dass der feierliche Einmarsch des Chores erst im Anschluss an diese Andacht, auf Kerstins Stichwort hin, erfolgen sollte.
Um die zentral gelegene Stadtkirche herum herrschte starkes Gedränge. Hektisch herbei geschafftes Zusatzgestühl reichte trotzdem nicht aus, allen Besuchern einen Sitzplatz zu bieten. Die Menschen standen gedrängt auf jeder freien Fläche, in jeder Nische der Kirche, der Mittelgang war völlig blockiert. Ein überforderter Küster wusste nicht, wie er der Massen Herr werden sollte und sprach aufgeregt auf Pastor Asmussen ein.
Der wollte dem Plan des Küsters, den Mittelgang zu räumen und dafür die überzähligen Menschen aus der Kirche zu verbannen, in keinem Fall nachkommen. Er befürchtete Tumulte und beschloss deshalb, den Einzug des Chores durch die Sakristei erfolgen zu lassen. Nur sie ermöglichte einen seitlichen Zugang in die Kirche.
Birte stand mit den übrigen Chormitgliedern aufgeregt seitlich des Altarraumes, für das Publikum noch unsichtbar, und starrte auf das leere Podest, auf dem mittig in der ersten Reihe, das weiße Abschirmtuch lag. Direkt darunter, unter dem hölzernen Podest verborgen, stand Corona de Luz. Hoffentlich würde die Gaze ihren Abschirmungseffekt auch in dieser Form bewirken, und hoffentlich erregte das ungewöhnliche Tuch kein Aufsehen. Ashita Lee, die im ersten Lied an dieser Stelle stehen sollte, hatten sie gesagt, das Tuch solle ihr Glück für ihre Solostücke bringen. Sie hatte diesen Hinweis von Kerstin mit dankbarem Lächeln quittiert.
Pastor Asmussen trat vor, im Kirchenschiff wurde es still. Nach einer kurzen Begrüßung winkte er Kerstin an seine Seite. Mit schnellen Schritten trat sie neben ihn, das Publikum applaudierte, Pastor Asmussen setzte sich in die erste Reihe und überließ ihr seine Gemeinde. Wieder einmal bewunderte Birte ihre Freundin, die unbeeindruckt vor einer derart großen Menschenmenge ruhig und gefasst stand und erklärte, dass es für sie und den Chor eine große Ehre und Freude sei, hier mit ihnen den gemeinsamen Gott der Liebe feiern zu dürfen.
Sie forderte alle auf, Sorgen und Kümmernisse für diese Stunde zu vergessen und ihre Herzen weit zu öffnen. Sie möchte aber, bevor das Konzert beginnt, mit ihnen zusammen eine kleine Andacht halten. Die Menschen, die saßen, erhoben sich von ihren Plätzen. Kerstin begann mit leisen, dennoch sehr klar hörbaren Worten, ein feierliches Gebet zu sprechen. Es handelte von der Liebe Gottes und der Macht eines reinen Herzens.
Birte sog jedes Wort in sich auf, das Feld von Corona de Luz spürte sie nicht, es schien also mit der Abschirmung zu funktionieren – Gott sei Dank. Am Ende der Andacht drehte sich Kerstin zu ihnen um und forderte den Chor mit einer Geste auf, mit dem Einzug zu beginnen. Henning gab
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