ZEITLOS - Band 3 (German Edition)
Mentalprogramm herum, denn schließlich musste ein derartiges Experiment gut vorbereitet sein, damit die von ihr angestrebten Wirkungen auch sicher eintreten würden ...
20. Juli 2027; Montag; 05:17 Uhr/ehemalige MEZ; 5. Welt, Boostedt; Hoefners Privathaus, Kinderzimmer
Lara verstand nicht, warum sie nicht einfach aufstehen und draußen spielen durfte. Nein, stattdessen musste sie in diesem blöden Bett liegen und darauf warten, dass endlich, irgendwann am Morgen, Mama in das Zimmer kam, um sie zu wecken. Was für'n Quatsch, sie war doch sowieso wach.
Nur die Male, wenn ihre Schwester sie nachts mit in den Wald nehmen durfte, dann, hei, ja das war herrlich. Am Liebsten würde sie immer nachts da draußen im Wald sein, wo es sich so gut mit den Tieren und Pflanzen reden ließ. Sie kannten so viele spannende Geschichten.
Seitdem sie zur Schule musste, ging das nur noch in den Ferien, aber auch nur dann, wenn ihre große Schwester Zeit für sie hatte. Die musste ja immer arbeiten, weil - die war ja schon erwachsen. Wenn sie erst so groß wie Myrja war, dann würde sie auch immer nachts in den Wald gehen, wann immer sie wollte. Aber das ginge ja erst, wenn sie mit der Schule fertig wäre, hatte ihr Mama erklärt, und das konnte noch dauern. Lara seufzte und nahm ihren Schmuselöwen in den Arm, schnupperte an seinem Fell und ...
… sah sich plötzlich im Wald bei ihren Tieren, die sie erwartet hatten. Sie lernte beim Zusehen so unglaublich viel. Sie sah, wie sie Bäume grokte, sich mit ihnen verband und wie sie der großen Quelle zuhörte, die zu ihr sprach mit tausend Stimmen und einen nicht enden wollenden Strom unbekannter Informationen durch Kopf und Körper spülte. Oder sie beobachtete, wie sie lang ausgestreckt auf einer Waldlichtung lag, die Stirn im feuchten Gras und Stimmen aus der Erde hörend, die sie riefen und ihr geheimnisvolle Dinge zuraunten, welche sie aber noch nicht richtig verstand.
Am liebsten sah sie sich dabei zu, wenn sie tiefer in den Wald hineinging, zu den drei bemoosten und versteckt im Unterholz liegenden Steinhaufen. Wenn sie sah, was mit ihr passierte, wenn sie sich in die Mitte davon stellte, dann musste sie aufpassen, dass sie nicht vor Vergnügen kreischte. Mehrmals waren Mama und Paps deshalb schon aufgeregt in ihr Zimmer gelaufen. Das war blöd, dann konnte sie nicht gleich wieder an diese schöne Stelle zurückkehren. Seitdem schlug sie sich immer die Hand vor den Mund, damit ja kein Laut daraus hervorkam.
Sie sah sich oft an dieser Stelle stehen und wusste nur, dass es dort schön war. Sie verstand noch nicht, warum sie dort so seltsame Verrenkungen machte und ihr Mund so komische Worte sagte oder sogar sang, aber das würde sie noch herausfinden. Es war aber immer toll, dabei zuzusehen und den fremdartigen Tönen zuzuhören, die ihr Mund hervorbrachte. Oft überkam sie dabei das Gefühl, in warmem Wasser zu schwimmen - wie ein Korken, der in den Wellen schaukelte.
Es war auch prima, dass sie danach schon immer im Voraus wusste, was demnächst passieren würde. Schade, dass Mama davon nichts hören wollte, wahrscheinlich sah sie die Dinge selber, denn sie war schließlich schon alt.
Wenn sie mit Mama darüber sprechen wollte, gab diese ihr keine Antwort, sondern blickte stattdessen traurig weg. Mit Paps konnte man besser über solches Zeugs reden, der hörte jedenfalls zu und schien sich über ihre Geschichten, die sie nachts erlebte, zu freuen.
Bei diesen Gedanken wurde sie durch ihren Vogel geweckt, der sein erstes Lied für sie sang. Lara blinzelte, endlich wurde es hell. Den Schmuselöwen noch immer im Arm, sprach sie mit ihm. >Siehst du Löwe, bald treffen wir endlich Rico. Toll was? Der kommt aus Italien, musst du wissen, und er ist mein Bruder. Das wissen aber Mama und Paps nicht, denn das ist unser Geheimnis. Löwe, und du hältst auch dicht! Du darfst zu niemandem darüber reden - Klar?<
Da das Kuscheltier nicht gleich antwortete, hielt Lara es mit strengem Blick vor ihr Gesicht und ließ es zustimmend nicken. Nicht mehr lange, und Mama würde ins Zimmer kommen um sie zu wecken .
***
Die Lehrer der Waldorf-Schule, die Lara nach Vollendung ihres sechsten Lebensjahres besuchte, wussten von Laras seltsamer Schlafstörung. Deshalb hatte man ihr einen Sitzplatz neben der Kuschelecke des Klassenzimmers zugewiesen. Die übrigen Kinder hatten anfangs ihre Späße darüber gemacht, wenn Lara
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