Zeitreisende sterben nie
genug für heute.«
»Wie wäre es dann, wenn ich dich nach Hause bringe?«
»Nicht nötig«, sagte sie. »Ich komme schon zurecht.« Ihr Wagen stand ganz in der Nähe eines steinernen Engels.
Linda Keffler, Shels Chefin über etliche Jahre, kam zu ihnen, um ihr Beileid kundzutun. »Wir werden ihn vermissen«, sagte sie.
Offenkundig hatte sie keine Ahnung, wer Helen war, also stellte Dave sie vor. »Sie waren eng befreundet«, erklärte er.
»Es tut mir so leid, meine Liebe. Ihn auf solch eine Art zu verlieren...«
Helen versuchte gar nicht erst, etwas zu sagen. Sie stand nur da und bemühte sich, ihre Gefühle im Zaum zu halten.
Linda sah selbst ein wenig weinerlich aus. »Sagen Sie mir, wenn ich irgendetwas für Sie tun kann«, bat sie. Dann ging sie auch schon mit schnellen Schritten zu ihrem Wagen, begierig fortzukommen.
Als sie weg war, machte Helen sich auf den Weg zu ihrem eigenen Wagen. Dave begleitete sie. »Ruf mich doch bei Gelegenheit an«, sagte sie.
Er machte ihr die Tür auf. Sie stieg ein, startete den Motor und öffnete das Fenster. »Danke für alles, Dave«, sagte sie.
Dann hob sie die linke Hand zum Gruß und fuhr langsam davon. Sie hatte Adrian Shelborne so gut gekannt. Und so wenig.
Jerry war Shels älterer Bruder. Er hatte wenig Ähnlichkeit mit Shel. Er lächelte viel häufiger und war sich der Welt um ihn herum erheblich bewusster. Mit brennendem Blick hatte er den Sarg angestarrt, der auf Riemen auf die Arbeiter wartete, die ihn in die Erde absenken würden. Als er sah, dass Helen fort war, kam er rüber. »Dave«, sagte er. »Danke, dass du gekommen bist.«
»Das war selbstverständlich.«
»Ich weiß. Ich weiß, dass ihr zwei euch sehr nahegestanden habt.« Er atmete tief durch. »Es ist wirklich schwer zu glauben.«
»Ja. Es tut mir leid, Jerry.«
»Kommst du mit zum Haus?«
»Ja. Ich könnte einen Drink vertragen.«
Sie schüttelten einander die Hände, und Jerry zog weiter. Dave dachte darüber nach, wie oberflächlich der Mann war. Dies war das erste Mal, dass Jerry anscheinend ein echtes Interesse an irgendetwas Wichtigem aufgebracht hatte, zumindest soweit Dave sich erinnern konnte. Wenn Shels Vater ihn ins Vertrauen gezogen hätte, ihm ebenso wie Shel den Zugriff auf den Konverter ermöglicht hätte, er hätte nichts damit anzufangen gewusst.
Jerry zog den Kopf ein und duckte sich in seine Limousine. Beim Verlassen der Parklücke scheuchte er einige Tauben auf.
Dave atmete tief durch und wandte sich ab. Schwer zu glauben. Fort. Shel und die Zeitmaschinen.
Sie waren im Feuer zerstört worden. Die einzig verbliebene Einheit hatte Dave sicher in seiner Sockenschublade versteckt gehalten. Hätte er den Willen aufgebracht, er wäre sie losgeworden. Hätte losgelassen.
Auf dem Heimweg schaltete er das Radio ein. Es war ein gewöhnlicher Tag. Friedensgespräche in Afrika abgebrochen. Noch ein Kongressabgeordneter wurde beschuldigt, Wahlkampfgelder abgezweigt zu haben. Vorfälle häuslicher Gewalt hatten erneut zugenommen. Der Wirtschaft ging es nicht gut. Und in Los Angeles hatte eine Massenkarambolage auf einer Schnellstraße einen kuriosen Abschluss gefunden: Zwei Leute, ein Mann und eine Frau, hatten eines der verunglückten Fahrzeuge aufgebrochen und den Fahrer entführt, von dem angenommen wurde, dass er entweder tot oder ernstlich verletzt war. Offenbar hatten sie sich mit ihm davongemacht.
So etwas gab es nur in Kalifornien.
Shel hatte nie viel über seinen Vater gesprochen. Aber Michael Shelborne war für Arbeiten, die Dave nicht ansatzweise verstand, zweimal für den Nobelpreis nominiert worden. Und er hatte eine Möglichkeit gefunden, in der Zeit zu reisen; eine Meisterleistung, von der außer Dave niemand etwas wusste. Er erinnerte sich, dass Shel einmal erwähnt hatte, sein Vater sei über seine Berufswahl enttäuscht gewesen. Wie sein Dad hatte auch Shel Physik studiert, aber ihm fehlte Michaels Genialität, und so war er schließlich Leiter der Pressestelle von Carbolite geworden, einem Hightech-Unternehmen. Aber wenn Michael schon von Shel enttäuscht gewesen war, was musste er dann erst über Jerry gedacht haben, der Anwalt geworden war?
Schon jetzt vermisste Dave Shels Stimme, seine sarkastische Weltsicht, seinen vergnügten Zynismus.
Er seufzte. Die Welt war ein grausamer, quälender Ort. Genieß das Leben, solange du kannst. Er erinnerte sich, wie sein Großvater einmal bemerkt hatte, er solle sein Leben in vollen Zügen genießen. »Solange du
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