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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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der Mitte knüpfte man seine Loyalität ans Überleben – das war die Art der Qing.

20.
Mongolisches Feldlager
1.600 Meter westlich von Tongzhou, China
18. September 1860
Ortszeit: 11.30 Uhr
Unternehmen Esra – Tag 199
    Cixis Anweisungen an Senggerinchin enthielten alles, was er wissen musste. Auf ihren Befehl hin hatten Mu Yin und Prinz Kung mehrere Briefe an Lord Elgin geschrieben, in denen sie verlangten, er möge seinen Vormarsch nach Peking stoppen. Sie versprachen, alle Reparationen zu leisten, wenn er allein mit einer Ehrengarde von tausend Mann nach Tongzhou käme, um darüber zu verhandeln. Sie versprachen die Kooperation und den Schutz des Kaisers einschließlich einer offiziellen Audienz in Peking gegen Ende des Monats.
    Doch das war bloß ein Trick, um die Truppen der roten Teufel zu teilen und weiter in die Ebene zu locken. Erklärten sich diese dazu bereit, so lautete Cixis Befehl, Lord Elgin samt der jämmerlichen Eskorte niederzumetzeln, sobald sie so weit herangekommen waren, dass ihnen ein Rückzug nicht mehr gelingen konnte.
    Senggerinchin ahnte schon, dass Randall Chen nicht auf einen so offensichtlichen Betrug hereinfallen würde. Nach allem, was er bisher erlebt hatte, würde sein Gegenspieler den Plan mühelos durchschauen. Doch er bereitete seine Männer nicht ungern auf diese höchst unelegante Taktik vor, denn wenn sie dennoch aufginge, wäre der Blauäugige nicht der Mann, für den er ihn gehalten hatte. In ihren Anweisungen an ihn verlangte Cixi auch weitere Auskunft über den Blauäugigen und seine Rolle in der britischen Führung, unabhängig davon, ob ihr Plan gelang oder fehlschlug. Senggerinchin gedachte auch herauszufinden, wie und warum Randall Chen seinen bemerkenswerten Willen gegen sein eigenes Volk gekehrt hatte.
    Sehr zu seiner Überraschung war der britische Gesandte Parkes mit einem kleinen Kontingent britischer und französischer Soldaten, nicht einmal fünfzig Mann, am Vorabend nach Tongzhou hineingeritten und hatte verlangt, zu Mu Yin und Prinz Kung gebracht zu werden, als Vorhut für Lord Elgins Erscheinen. Senggerinchin konnte nicht glauben, dass dieser Parkes so waghalsig vorging. Ganz offensichtlich verstand er nichts von Kriegstaktik, wenn er sich in eine so gefährliche Lage brachte. Doch das erfüllte den Mongolen mit freudiger Erregung, denn er hatte zweitausend Horqin-Krieger innerhalb der Mauern postiert, was zu der Illusion einer stark verteidigten Stadt beitrug; genau die Täuschung, die er zu erzielen hoffte.
    Nachdem Cixi erfahren hatte, dass Parkes in Tongzhou war, schickte sie Mu Yin und Prinz Kung zu einem offiziellen Treffen mit dem Konsul. Zwei Stunden lang dauerte das Gespräch, dann standen Parkes und seine Begleiter abrupt auf, sammelten ihre Papiere ein und ritten aus der Stadt nach Süden auf Chang Chia-wan zu. Das war der Augenblick, als Senggerinchins Vorbereitungen zur Täuschung aufflogen.
    Als die Ausländer unerwartet nach Süden ritten anstatt nach Osten über den Haihe, bemerkten Parkes und sein Gefolge, dass in den Hirsefeldern Geschützbatterien versteckt waren. Bei näherem Hinsehen entdeckten sie die Soldaten der mandschurischen Banner und die große Anzahl chinesischer Infanteristen im Nordwesten.
    Nun war offenbar, dass die Felder zum Schlachtfeld werden sollten.
    Der Kriegsverstand versagte plötzlich. Wegen ihrer Verwirrung über das Heranrücken des Feindes von Norden – also aus Richtung Tongzhou – versuchten die chinesischen Offiziere nicht, Parkes und seine Männer aufzuhalten.
    Daraufhin band Parkes eine weiße Flagge an die Lanze eines Sikhs, und mit seiner Vierzig-Mann-Eskorte – ohne Colonel Walker und drei Sikhs, die er nach Süden schickte, damit sie die finstere Entwicklung Lord Elgin meldeten – ritt er durch die tatarischen Linien in dem lächerlich tapferen Versuch, dem Kommandeur, der es wagte, sich dem Vormarsch entgegenzustellen, die Sache auszureden. Ein chinesischer Offizier brachte sie in Senggerinchins Lager westlich von Tongzhou. Schließlich standen sich die beiden Männer gegenüber.
    Hinter Parkes war eine ungewöhnliche Gruppe versammelt: Henry Loch, der Sekretär von Lord Elgin, Thomas Bowlby, der Korrespondent der Londoner Times, Pater Duluc, ein französischer Priester, und Comte d’Escayrac, ein französischer Wissenschaftler, sechs Captains und Colonels, zwanzig Sikhs und ein halbes Dutzend Dragoner in Paradeuniform. Nachdem man ihnen die Gewehre abgenommen hatte, wirkten die Soldaten

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