Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
Vom Netzwerk:
– große Töne wirkten bei den Chinesen immer – sahen sie einem schmerzhaften und erniedrigenden Tod entgegen. Thomas Bowlby hatte sich am Nachmittag noch glücklich geschätzt, dass man nicht ihm den Kopf abgeschlagen hatte, doch dieser Tod wäre leichter gewesen. Stattdessen würde ihm nun wie vielen anderen die Haut an Händen und Füßen aufplatzen, Schmeißfliegen würden sich zu Dutzenden darauf niederlassen, und er würde halb wahnsinnig an Blutvergiftung sterben.
    Der Kampf um das Reich der Mitte war nun ernsthaft im Gange, und keine Streitmacht würde sich zurückziehen. Bei seinem Versuch, die Feinde noch tiefer in seine Falle zu locken, hatte Senggerinchin sie unerwartet erzürnt – was die Beziehung zwischen Ost und West auf ewig vergiften würde. Die Chinesen kämpften um Heim und Herd, ein starker Vorteil; auf der gegnerischen Seite gab es jedoch einen viel wirksameren Ansporn: die Überzeugung, die Welt zu beherrschen.
    Am späten Nachmittag kamen Meldungen, dass nur sechzehn Kilometer entfernt die ersten Scharmützel stattfanden. Anscheinend waren Lord Elgin und der Blauäugige tatsächlich näher, als Senggerinchin geglaubt hatte. Doch er war bereit. Die Hirsefelder waren geschnitten worden, um leichten Zugang zur Stadt zu gewähren; und soeben wurden zwei Gefangene übers freie Feld auf die Stadtmauer zugetrieben, hinter der sie als Köder fungieren würden.
    Die Falle war aufgeklappt, die Feder zurückgezogen.

21.
1600 Meter südwestlich von Tongzhou, China
19. September 1860
Ortszeit: 8.07 Uhr
Unternehmen Esra – Tag 200
    Die Aufstellung seiner Horqin-Reiter für die Schlacht unternahm Senggerinchin persönlich und in seiner besten Lederrüstung. Über fünftausend Reiter standen in dichten Reihen zwischen den Bäumen, wo sie von den Feldern aus nicht zu erkennen waren. Die Herbstsonne stand niedrig am Himmel und sorgte für lange schwarze Schatten. Das Schnauben und Trampeln der Pferde und das Knarren des Lederzeugs hallte durch den Wald wie ein leises Vorspiel des Schlachtgetöses, das sich bald entfesseln würde.
    Wie erwartet war Lord Elgin mit seinen Truppen auf die Hirsefelder östlich der hohen Stadtmauer gezogen, wo er seinerseits die Geschütze bereit machte und Reiter und Fußsoldaten zum Angriff aufstellte.
    Senggerinchin wusste, dass er äußerst zuversichtlich sein konnte, was seine eigene Aufstellung anging. Er befehligte nunmehr fast fünfzigtausend Mann zwischen dem Wald und Peking. Der Gegner war hoffnungslos in der Unterzahl. In den nördlich gelegenen Tälern verbargen sich Tausende mandschurische Reiter; nur tausend Schritte nach Süden hin versteckten sich Tiger-Soldaten mit ihrer schwarz-gelben Uniform im hohen Getreide. Musketiere und Kanoniere bemannten ihre Geschütze in den angrenzenden Hügeln und in getarnten Batterien in Maisfeldern. Die Truppen der Qing bildeten eine überwältigende Übermacht, und dennoch verspürte er ein nagendes Gefühl des Unbehagens, als beginge er einen Fehler. Seine ganze Erfahrung als General sagte ihm, die Chancen würden nie besser stehen als jetzt, doch das änderte nichts an seiner inneren Unruhe – die freilich eine Empfindung war, die ein mongolischer Krieger niemals akzeptierte.
    Durchs Fernglas konnte er die gesamte feindliche Streitmacht sehen, die in perfekter Aufstellung vor ihm ausgebreitet war, insgesamt viertausend Soldaten höchstens – also mehr als die Tausend-Mann-Eskorte, die er erwartet hatte. Doch er war immer noch in der günstigeren Situation. Die roten Teufel hatten keine Möglichkeit, mehr Leute oder Munition zu beschaffen oder zu fliehen, sobald sie eingekreist waren. Sie wären isoliert vom Hauptkontingent ihrer Truppen, das damit beschäftigt war, das neunzig Kilometer entfernte Tientsin um jeden Preis zu halten.
    In den Tataren brannte das Verlangen, Elgins Soldaten zu zermalmen, das konnte Senggerinchin ihnen von den Augen ablesen. Und er wusste, er hatte getan, was er konnte, um sie auf die kommende Schlacht vorzubereiten. Bis auf den letzten Mann empfanden sie einen grenzenlosen Hass auf die arroganten abendländischen Invasoren und lechzten nach der Gelegenheit, die bisherige Blamage des Kaisers in einen großartigen Sieg zu verwandeln. Die Barbaren hatten den Sohn des Himmels beleidigt, indem sie es wagten, sich einen Weg in die heilige Stadt zu erzwingen. Darum würde es kein Pardon geben. Die Tataren hatten Befehl, keine Gefangenen zu machen, sondern das Blut ihrer Feinde mit solcher Brutalität

Weitere Kostenlose Bücher