Zeitriss: Thriller (German Edition)
Rittmeister drehte den Kopf. »Ich soll Euch in die Verbotene Stadt bringen«, antwortete er. »Dort werdet Ihr erwartet.«
Die Straßen wurden breiter und die Häuser prächtiger, darunter viele verschachtelte Terrassenbauten mit verschlungenen Gässchen dazwischen. Es waren mehr und mehr Soldaten zu sehen, obwohl die Seitenstraßen verlassen wirkten. Man bereitete die Verteidigung der Stadt vor; Kanonen wurden auf behelfsmäßige Plattformen gerollt, Kugeln und Schießpulver in angrenzenden Häusern und Ställen untergebracht.
Nach einem kurzen Ritt mündete die Straße auf den Tiananmen-Platz, und Randall blickte schließlich auf die zinnoberroten Mauern der Kaiserstadt. Die Farbe leuchtete in der Sonne, als wären die Mauern nass. Fünf Tore waren geöffnet, und Randall atmete schneller bei dem Gedanken, dass dahinter die Verbotene Stadt auf ihn wartete.
Unmittelbar vor dem mittleren Tor hielt Rittmeister Po an. »Ab hier müsst Ihr allein reiten«, sagte er ruhig und zeigte auf den Torweg.
Randall trieb sein Pferd zum kurzen Galopp an und ritt hinein. Das Hufgetrappel hallte in der menschenleeren Stille des weißen, makellos glatten Gewölbes.
Als er auf einem freien Hof von der Größe von achtzig Hirsefeldern auskam, wurde ihm flau im Magen. Vor ihm ragte das berühmte Mittagstor auf, der erhabene Eingang zur Mitte des Universums.
Seine zinnoberroten Mauern machten jeden zum Zwerg, der sich näherte. Auf der zwanzig Meter hohen Mauer standen drei Pavillons. Sie waren mit grün-goldenen Drachen und anderen Fabeltieren verziert. Rings um die Dachfirste wehten Hunderte Drachenwimpel aller Farben an hohen weißen Masten. Der Graben, der die Verbotene Stadt umgab, verlief unter dem Hof und dem Mittagstor hindurch.
Die goldenen Dächer der Pavillons waren an den Ecken mit fein gearbeiteten Skulpturen der Schutztiere besetzt: Drache, Phönix, Einhorn, Himmelspferd und Seepferd. In der rückwärtigen Mauer gab es drei große Eingänge, jeder bewacht von einer mächtigen roten Tür mit einundachtzig goldglänzenden Pollern, neun in neun Reihen.
In dem Hof rührte sich nichts, es war vollkommen still.
Randall ritt langsam weiter und hielt in der Mitte an. Innerhalb von Augenblicken erschienen auf den Mauern gelb gekleidete Soldaten mit dem Bogen in der Hand, die einen Pfeil auflegten und die Sehne spannten. So standen sie Schulter an Schulter. Randall wagte nicht, sich zu bewegen.
Dann öffnete sich knarrend das mittlere Tor, das kaiserliche. Randall wusste daher, dass jemand Bedeutendes kam. Um seinen Respekt zu zeigen, stieg er vom Pferd.
Ein wenig steif von dem langen Ritt schritt er über den Granitboden dem Tor entgegen. Dort erschien eine einzelne Gestalt; es war die Silhouette einer Frau.
Cixi trat aus dem Schatten heraus, und ihre Schönheit wurde mit jedem Schritt deutlicher. Sie trug eine scharlachrote Weste mit einem goldenen fünfklauigen Drachen auf der Brust und einen scharlachroten Umhang, der über der rechten Schulter zurückgeschlagen war, dazu kniehohe Stiefel mit eckiger Kappe. Ihre langen, schwarzglänzenden Haare waren über die linke Schulter nach vorn geschlungen.
Es fiel kein Wort, bis sie zwei Schritte entfernt voreinander standen.
»Willkommen in der Verbotenen Stadt«, sagte Cixi. »Eure Augen sind tatsächlich so bemerkenswert, wie man mich glauben machen wollte.«
»Ich hatte auf einen freundlicheren Empfang gehofft«, erwiderte Randall.
Ihr Blick schweifte zu den Bogenschützen, die auf den Besucher angelegt hatten. »Der Empfang ist erst unfreundlich, wenn sie ihren Pfeil loslassen«, entgegnete sie. »Ihr müsst bedenken, Randall Chen, dass sie Euch anlasten, unser Heer bei den Taku-Festungen und an der Acht-Li-Brücke niedergemetzelt zu haben.«
»Euer Heer bediente sich schlechter Taktik«, hielt Randall ihr entgegen. »Senggerinchin glaubte, dass eine bloße Übermacht das rechte Mittel gegen die roten Teufel sei.«
»Was ist stattdessen das rechte Mittel?«, fragte sie.
»Es gibt viele Mittel, um einen überheblichen Gegner zu besiegen«, meinte Randall. »Der erste Schritt ist das Erkennen seiner Schwäche. Nur so kann ein Sieg errungen werden.«
»Auch gegen diesen Gegner?«
»Er hat viele Schwächen«, antwortete Randall.
Er war völlig gefangen von ihrer Anmut und Schönheit. Nach allem, was er gelesen hatte, hätte es ihn nicht überraschen sollen, dennoch … sie war so elegant, so anziehend.
Auch Cixi war beeindruckt von dem gut aussehenden jungen Mann,
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