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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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»Heraus damit, oder Ihr werdet sterben.«
    »Er ist verlegt worden«, keuchte Yu schließlich. Randall ließ ein wenig locker, um ihn zum Reden zu ermuntern. »Gestern Nachmittag kam eine Brieftaube mit einer Nachricht. Man hat ihn in den Kaomio-Tempel gebracht … Er ist Gast der Edlen Kaiserlichen Gemahlin. Der Sohn des Himmels verlässt die Stadt … reist heute nach Norden. Prinz Kung ist mit allen Aufgaben betraut.«
    Randall ließ den Gouverneur unzeremoniös auf den Boden fallen.
    »Mögt Ihr tausend Tode sterben, weil Ihr uns im Stich gelassen habt!«, rief der alte Mann, der seinen Mut wiederfand.
    »Bleibt ganz ruhig, Gouverneur, ich habe keine Angst vor dem Sterben«, meinte Randall. »Ich fürchte mich viel mehr davor, mit meinen Taten leben zu müssen.«
    Als Randall durch das Stadttor ritt, begegnete er einem Regiment Dragoner, die sich jetzt in der Stadt verteilten. Zu spät, dachte Randall. Sie hätten achtzehn Stunden früher kommen sollen, dann wären nicht Tausende Unschuldiger den grausamen Ausschweifungen der Kulis zum Opfer gefallen. Randall wusste, er hätte damit rechnen müssen. Schließlich hatte er vor seinem Transport zwei Monate lang die Geschichte studiert. Doch so etwas mit eigenen Augen zu sehen, das viele Blut, die starren Augen der toten Kinder, der Gestank des Todes, das war etwas ganz anderes. Das war unvorstellbar. Wilson hatte ihn gerade vor dieser Schwäche gewarnt: die Zukunft kennen und begreifen, zu welchen Schandtaten der Mensch fähig ist, das sei etwas, was man intellektueller Betrachtung unterziehen müsse, sonst könne der Schock über den rohen Hass und die Ungerechtigkeit in den Wahnsinn führen.
    Wie es schien, hatte Wilson damit recht gehabt. Nachdem Randall die Kulis umgebracht hatte, war er eigentümlich befriedigt gewesen. Und wie ein Hai, der Blut wittert, würde ihn das Verlangen, den Blutdurst von Neuem zu stillen, nicht mehr loslassen. Wilson wäre enttäuscht, das war ihm klar. Bei seiner gesamten Vorbereitung war es um Disziplin und Selbstbeherrschung gegangen, damit er den Blick auf das Ziel richten und alles andere beiseiteschieben konnte.
    »Sie sind nicht dort, um den Lauf der Geschichte zu verändern«, hatte Wilson gesagt, »so sehr Sie das vielleicht wollen möchten. Ihre Aufgabe ist der Schutz der Verbotenen Stadt und der Lebenskraft, die in ihren Mauern liegt – sonst nichts. Wenn der Weg nach Peking frei ist, haben Sie das Schwierigste erst noch vor sich. Die Verbündeten dürfen auf keinen Fall die Macht übernehmen oder gar die Verbotene Stadt zerstören. Das müssen Sie verhindern, und dazu brauchen Sie Ihre ganze Selbstbeherrschung und Gerissenheit. Alles andere, die Vorurteile, den Hass, die Ungerechtigkeit, müssen Sie an sich abperlen lassen.«
    Randall konnte darüber nur spotten. Wilson hatte so etwas noch nicht erlebt. Um die Schumann-Frequenz zu regulieren, brauchte er sich damals in keiner so grausamen Gesellschaft zurechtzufinden. China in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte mehr Ähnlichkeit mit der Hölle als mit irgendetwas anderem. Es war unmöglich, sich darin zu bewegen und unbeeindruckt zu bleiben.
    Nachdem er einen Plan gefasst hatte, ritt Randall zum Lager zurück. Sergeant Stevens hatte ihn inzwischen wieder aufgespürt und folgte ihm mit seinen Männern.
    Das Lager war ein Bild der Ordentlichkeit. Die eckigen Canvaszelte standen in makellosen Reihen da, die Wege waren mit weißen Steinen markiert. Britische und französische Flaggen wehten im kühlen Wind, und an jeder Ecke stand ein Soldat aus dem Punjab mit Turban und langem dunklem Schnurrbart.
    Randall hatte das Gefühl, dass ihn jeder anstarrte.
    Er nahm sich fünf Minuten Zeit, um sein Pferd an einem der Tröge zu tränken, dann saß er auf und verließ das Lager in westlicher Richtung. Jenseits der Hirsefelder war am Horizont ein schwarzer Fleck zu sehen. Das waren die Befestigungsanlagen Pekings.
    Sergeant Stevens holte ihn ein. »Wohin wollen Sie denn, Junge?«
    »Ich werde mit Harry Parkes zurückkommen«, antwortete Randall.
    »Und wie wollen Sie das anstellen?«
    »Ich weiß, wo er gefangen gehalten wird.«
    »Sie können nicht einfach nach Peking reiten und ihn abholen!«
    »Das kann ich, und das werde ich.«
    »Ich habe Befehl, bei Ihnen zu bleiben!«, wandte Stevens ziemlich aufgebracht ein.
    »Sie werden hier warten«, bestimmte Randall. »Ich könnte mir denken, dass weder Ihre Aufmachung noch Ihre Hautfarbe dort auf Sympathie treffen.«
    »Ich sollte Ihr

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