Zeitriss: Thriller (German Edition)
Dan und atmete nach jedem Satz tief ein und aus. »Weg, Himmel, Erde, Führung, Recht. Um eine Herausforderung zu meistern, muss ein Mann eine Einschätzung treffen. Jeder Kämpfer, der sich in einen Kampf begibt, wird das zuvor tun. Der Mann, der besiegt wird, ist der, der nicht alles bedacht hat. Die vollständige Einschätzung bringt den Sieg. Die unvollständige die Niederlage.« Le Dan legte die Hände auf die Knie. »Schaut nach Osten.«
Inzwischen hatte die aufgehende Sonne den Himmel hellgrau übermalt.
»Tao … Tien … Dee … Gian … Far«, wiederholte Le Dan. »Bei allen Planungen müssen die fünf Grundsätze beachtet werden, wenn Erfolg das Ziel ist.« Er wandte seinen ruhigen Blick vom Himmel ab und richtete ihn auf Wilson. »Ja, Sie sind ein Mann, der vieles gesehen hat. Daher wissen Sie vieles.«
»Lassen Sie sich nicht durch meine Kleidung täuschen«, meinte Wilson, der seine schwarze Mercury-Uniform trug. »Ich bin kein großer Gelehrter.«
Le Dan sah weg. »Ich bitte um Verzeihung, Mr. Dowling. Es war unhöflich, Sie anzustarren.«
»Warum glauben Sie, ich wüsste so viel?«, fragte Wilson.
»Ich sehe es in Ihren Augen, Mr. Dowling. Das Wesen eines Mannes, der außergewöhnliche Dinge gesehen hat, verrät sich immer durch eine gewisse Ruhe im Blick – mancher mag das mit Langeweile verwechseln, doch ich erkenne den Unterschied. Das gegenteilige Phänomen ist die entzückte Verwunderung im Blick eines kleinen Kindes, das etwas zum ersten Mal sieht. Und ich spüre auch Ihren Kummer, Mr. Dowling.«
Bei dieser Bemerkung schlug Wilsons Herz schneller.
»Wir wollen meditieren«, sagte Le Dan und setzte sich mit dem Gesicht nach Osten. »Meditation ist wesentlich zur Aufrechterhaltung des Chi. Schauen Sie zum Horizont, und lösen Sie sich von allen Gedanken. Staunen Sie über die Geburt eines neuen Tages.«
Der heller werdende Himmel war wirklich schön. Doch neben dieser simplen Feststellung kamen Wilson lauter Fragen in den Sinn, und dazu die Konsequenzen der möglichen Antworten. Randall brauchte Wilsons Führung nicht, um erfolgreich zu sein. Le Dan hatte mehr Führungsweisheit im kleinen Finger, als Wilson je haben würde. Seine Gedanken wanderten zu GM s Forderung, das Lebenselixier aus der Verbotenen Stadt mitzubringen. Sie verstieß gegen jeden Grundsatz, für den die Aufseher standen. Und doch blieb Wilson nichts anderes übrig, als auf Nummer sicher zu gehen und GM s Vorhaben zu unterstützen. Andernfalls würde das Unternehmen Esra nicht stattfinden. Dann musste Wilson an Helena Capriarty denken. Wenn es in dieser Welt Gerechtigkeit gab, würde ihm gestattet werden, zu ihr zurückzukehren. Es schien nicht richtig zu sein, dass sie in so kurzer Zeit so vieles zusammen durchmachen mussten, um dann für immer getrennt zu werden.
Le Dans Stimme unterbrach die Stille. »Mr. Dowling, Ihre Gedanken plappern so laut, dass ich es bis hierher höre. Ich schlage vor, Sie konzentrieren sich auf den Sonnenschein, der bald über den Horizont aufsteigt. Die goldenen Strahlen haben den weiten Weg von der Sonne zurückgelegt, damit Sie diesen Augenblick erleben können. Verschwenden Sie ihn nicht, indem Sie sich woanders aufhalten.«
Wilson atmete tief durch und starrte in den rasch heller werdenden Himmel. In dem Moment strahlte ein goldenes Licht auf und beschien die Hügel und Täler Kaliforniens. Das ging so schnell, wie Wilson es noch nie gesehen hatte. Der warme Schein berührte sein Gesicht, und Wilson war sich der acht Minuten bewusst, die die Strahlen gebraucht hatten, um von dem nahen Zwergstern zu seiner Haut zu gelangen. Plötzlich fühlte er sich ruhig und so leer wie ein weißes Blatt Papier.
Le Dan lächelte und schwieg.
Nach zehn Minuten stand er von seiner Matte auf und reckte den Kopf von einer Seite zur andern. »Mr. Dowling, Sie dürfen gern das körperliche Training mit uns beginnen, aber die Aufgaben werden nach und nach zu schwierig für Sie werden. Tun Sie Ihr Bestes, und verlassen Sie uns, wann Sie möchten. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit. Es war mir ein Vergnügen.«
Er nahm die Zenhaltung ein und verbeugte sich aus der Hüfte. Wilson verbeugte sich vor ihm, dann vor Randall, der die Geste erwiderte.
Der Sonne zugewandt, begann Le Dan mit einer Reihe langsamer Bewegungen, die Wilson ohne Schwierigkeit nachmachen konnte. Es war ein gutes Gefühl, die ruhige Geschmeidigkeit des Shaolin-Meisters und seines Schülers zu kopieren, die nun die hundertacht Bewegungen der
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