Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)
Gesichtszüge lag in dieser Bewegung ein gelassenes Vertrauen, das in Gordon eine Glocke anschlagen ließ. Er blinzelte in die Strahlen der untergehenden Sonne, ihr Glanz wurde zu warmer Feuchtigkeit in seinen Augen. »Gut. Gut«, murmelte sie und ging, immer noch lächelnd, davon.
Kurz nach Penny kam er nach Hause. Sie wechselte gerade die Garderobe. Er warf die Aktenmappe mit den Sorgen des Tages darin in eine Ecke und fragte: »Wohin?«
»Die Brandung kommt.«
»Aber es wird doch dunkel.«
»Die Wellen wissen das nicht.«
Er lehnte sich gegen die Wand, ihre Energie machte ihn taumeln. Diesen Aspekt Kaliforniens hatte er am wenigsten verdaut: die pure Körperlichkeit des Landes, seine Tatkraft.
»Komm mit«, sagte sie, während sie eine Bikinihose und ein T-Shirt überstreifte. »Ich zeig’s dir. Du kannst dich ohne Brett von den Wellen an Land tragen lassen.«
»Hm«, entgegnete er. Er wollte nicht zugeben, dass er sich auf ein Glas Weißwein und die Abendnachrichten gefreut hatte. Immerhin, dachte er – und mochte den Gedanken plötzlich gar nicht mehr -, könnte es eine Fortsetzung des Schriffer-Berichts geben.
»Komm schon!«
Am Windansea-Strand sah er ihr zu, wie sie durch eine abfallende Welle schnitt. Sie erstaunte ihn: ein zerbrechliches Mädchen, das ein klobiges Brett beherrschte und sich die Energie des Ozeans zunutze machte, schwebte in der Luft wie durch ein Wunder newtonscher Dynamik. Es schien ein fließendes Rätsel, und doch hatte er das Gefühl, es dürfte ihn nicht überraschen; schließlich handelte es sich um klassische Dynamik. Die Rotte von der Pumpenstation war draußen. In Erwartung der stürzenden Tonnen Wasser ritten sie auf ihren weißen Brettern. Schwitzend absolvierte er die harten Gymnastikübungen der Royal Canadian Air Force und versicherte sich, dass sie ebenso gut waren wie die sichtbare Freude der Surfer, wenn sie die Wellen teilten. Nach den vorgeschriebenen Drück- und Stoßübungen rannte er keuchend durch den Sand und versuchte, die Ereignisse des Tages zu entwirren. Sie widersetzten sich ihm: Der Tag ließ sich nicht in einfache Strukturen zerlegen. Schnaufend blieb er stehen, die Stirn von Schweißperlen bedeckt. Penny tat einen Schritt auf ihrem Brett und winkte ihm zu. Hinter ihr stülpte der Ozean sich hoch, packte ihr Brett mit sanftem Griff und ließ es nach vorn kippen. Sie schaukelte, schwankte, Arme schlugen wie Flügel durch die Luft; sie fiel, wurde von dem seifigen Gischt verschlungen. Das glatte weiße Brett überschlug sich auf dem Wasser. Pennys Kopf tauchte auf, das Haar klebte wie eine Kappe an ihrem Gesicht, ihre Zähne strahlten weiß. Sie lachte.
Während sie sich anzogen, fragte er: »Was gibt’s zum Abendessen?«
»Was du willst.«
»Artischockensalat, dann Fasan und zum Schluss Brandygebäck.«
»Ich hoffe, du kannst das alles zubereiten.«
»Okay, was willst du ?«
»Ich gehe aus. Ich habe keinen Hunger.«
»Hä?« Er war perplex – denn er hatte Hunger.
»Ich gehe zu einer Versammlung.«
»Wozu?«
»Eine Versammlung eben.«
»Wofür?«, beharrte er.
»Für Goldwater.«
»Was?«
»Vielleicht hast du von ihm gehört. Er bewirbt sich um die Präsidentschaft.«
»Du machst Witze.« Reglos verharrte sein Fuß in der Luft, den er gerade ins Hosenbein stecken wollte. Ihm fiel auf, wie komisch das aussehen musste, und er zog die Hose an. »Er ist ein einfältiger …«
»Spießer?«
»Lassen wir es einfach bei einfältig.«
»Hast du Das Gewissen eines Konservativen jemals gelesen? Er hat eine Menge darin zu sagen.«
»Nein, hab ich nicht. Aber wenn man einen Kennedy hat, den Vertrag über den Stop von Atomversuchen und einige wirklich neue Ideen in der Außenpolitik, die Allianz für den Fortschritt …«
»Plus Schweinebucht, Berliner Mauer, seinen schweinsäugigen kleinen Bruder …«
»Ach, komm! Goldwater ist nur ein Spielball des großen Geldes.«
»Er wird die Kommunisten bremsen.«
Gordon setzte sich aufs Bett. »Du glaubst diesen Kram doch nicht etwa?«
Penny zog die Nase kraus, und wie Gordon wusste, war das ein Hinweis darauf, dass sie sich ihre Meinung gebildet hatte. »Wer hat unsere Jungs nach Südvietnam geschickt? Und wie war das mit Cliff und Bernie?«
»Wenn Goldwater rankommt, werden eine Million Cliffs und Bernies rübergeschickt.«
»Goldwater wird dort drüben gewinnen , nicht nur rumspielen.«
»Penny, drüben kommt es darauf an, unsere Verluste zu verringern. Warum sollten wir einen
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