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Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Titel: Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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seine Unterlagen auf dem kleinen Klapptisch aus. Ihm standen Stunden eines ermüdenden Atlantikflugs bevor, eingekeilt auf seinem Fensterplatz. Cathy Wickhams Gleichungen schwebten vor seinen Augen, Tensorindizes, die darauf warteten, in diese oder jene Richtung verändert zu werden, eine verheißungsvolle, komplexe Formelsammlung.
    »Lunch, Sir«, sagte der Steward mit dem professionell leeren Gesichtsausdruck. Diese Höflichkeit garnierte die Art, wie er gleichgültig einen Pappkarton auf dem Klapptisch absetzte. Markham riss die keilförmigen Deckel auf, ein Regen von Päckchen ergoss sich über seine Papiere. Es waren die jetzt allgegenwärtigen, leicht zu handhabenden Nahrungseinheiten. Er wickelte eines aus und stieß auf das obligatorische Gummihühnchen. Widerwillig biss er hinein. Klebrig und sauer. Der einzige Vorteil bestand seiner Meinung nach darin, dass es keine Plastikverpackung war. Die Bombardierung der saudischen Ölfelder vor einigen Jahren hatte dem ein abruptes Ende gemacht und für die Rückkehr der schlichten Pappkartons gesorgt. Die graue Oberfläche der Verpackung erinnerte ihn an seine Kinderjahre, in denen der Kohlenwasserstoff noch nicht die Welt regierte. Die humanisierende Seite von Pappbehältern war die simple Tatsache, dass sie den Strich eines Kugelschreibers akzeptierten, eine Botschaft aufnahmen. Plastikhüllen widersetzten sich der Prägung durch ihre zeitweiligen Benutzer. Mit flüchtigen Bewegungen schrieb er die neuen Quanten-Feldgleichungen auf den Lunchkarton. Die eleganten Epsilons und Deltas breiteten sich stattlich über den Blockbuchstaben UNITED AIRLINES aus. Geistesabwesend kaute er. Die Zeit verging. Markham sah eine Möglichkeit, die Tensorelemente in mehreren verkürzten Gleichungen abzutrennen. Mit entschlossenen Strichen sonderte er die Feldkomponenten paarweise ab. Mit flüchtigen Nebenrechnungen überprüfte er seine Ableitungen. Nur am Rande nahm er die Bewegungen anderer Passagiere wahr. Nach einiger Zeit lagen die fünf neuen Gleichungen quer über dem gerippten Karton. Drei erschienen ihm wie alte Bekannte: die Einsteingleichungen mit Modifikationen für Quanteneffekte, wenn die räumliche Ausdehnung klein genug wurde. Sie waren wohlbekannt. Die beiden anderen schienen mehr zu enthalten. Ein tieferes Verständnis der Quanteneffekte fügte hier einen neuen Begriff hinzu, dort ein Bündel von Tensoren. Es schien keine Möglichkeit zu geben, das System noch weiter abzuleiten. Nachdenklich klopfte Markham mit dem Kugelschreiber auf den Karton.
    »He, schaut mal!«, rief der Mann neben ihm aus. Markham spähte zum Fenster hinaus. Vor ihnen trieb eine gewaltige Wolke, schwefelgelb und orange geädert. »Ich sehe zum ersten Mal eine«, sagte der Mann aufgeregt. Markham war gespannt, ob der Pilot hindurchfliegen würde. Sekunden später wurden die Fenster von Wolkenfetzen vernebelt; Markham merkte, dass sie bereits durch einen tieferen Abschnitt der gelben Masse vor ihnen flogen. Ein Gewichtsschub drückte Markham in den Sessel, die Maschine ging in den Steigflug.
    »Direkt vor uns, liebe Fluggäste, ist eine der Wolken, von denen wir gehört haben. Ich überfliege sie, damit Sie einen besseren Blick haben.«
    Markham erschien diese Erklärung offenkundig falsch. Piloten änderten die Flughöhe nicht zum Vergnügen. Die Wolke schien irgendwie fester als die flaumigen weißen Kumuli um sie herum. Dunkelblaue, gewundene Fäden bohrten sich durch ihre Spitze und gaben ihr ein Kuppelprofil.
    Markham murmelte etwas vor sich hin und wandte sich wieder seinen Papieren zu. Er schrieb die neuen Gleichungen vom Pappkarton ab und analysierte sie, während er versuchte, das leise Heulen der Motoren aus seinen Ohren zu verbannen. Ein Ingenieur hatte ihm einmal gesagt, die neue Generation superschneller Maschinen kreischten in unerträglichen Frequenzen. Rockwell International hatte beträchtliche Mittel aufwenden müssen, die Schallspitzen abzuflachen. Sechs Monate hatte es gedauert, bis das Heulen in einen beruhigenden Bassmantel gehüllt wurde, sodass die Körper im Innern des Metallrumpfs benebelt und zufrieden blieben. Nun, bei ihm funktionierte das nicht, er war immer sehr lärmempfindlich gewesen. Er fand die Ohrstöpsel in dem Klappfach und benutzte sie. Eine Decke hüllte ihn ein. Von dem Motorkreischen blieb nur ein akustisches Zittern, das sich durch seine Beine bis in die Zähne schlich.
    Eine Stunde lang untersuchte er die neuen Gleichungen. Für beschränkte Fälle,

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