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Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition)

Titel: Zeitschaft: Meisterwerke der SF (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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die er kannte, ergaben sie vernünftige Lösungen. Wenn er die Längenskala klein hielt und Schwerkraftwirkungen außer Acht ließ, erhielt er die Standardgleichungen der relativistischen Teilchentheorie. Einsteins Erkenntnisse vollzog er mit einigen wenigen flüssigen Kugelschreiberstrichen nach. Aber wenn er die Wickham-Gleichungen nur für sich nahm, ohne auf vertrauten Grund auszuweichen, wurden sie undurchsichtig.
    Blinzelnd starrte er auf die knappen Aufzeichnungen. Wenn er das Knäuel von Begriffen hier einfach durchschnitt, sie schlichtweg ausschied – aber nein, das war nicht zulässig. Es kam auf mehr als ständiges Kurbeldrehen an. Die Arbeit musste mit dem richtigen geschickten Gespür getan werden, damit sie aus eigenem Antrieb vorwärtsglitt. Neben den logischen Normen standen ästhetische Fragen. Neue Entwicklungen in der Physik gaben einem zuerst eine logische Struktur, die eleganter war. Sobald man sie einmal verstanden hatte, war die Struktur nicht nur elegant, sondern auch einfacher. Und als Drittes ergaben sich aus der Struktur Konsequenzen, die komplexer waren als vorher. Die immer gegenwärtige Falle bei der Suche nach einem neuen Weg bestand darin, die Schritte umgekehrt zu vollziehen. Einem Philosophen konnte man das kaum erklären. In der Kunst der Mathematik gab es etwas, das einem auswich, wenn man nicht danach Ausschau hielt. Platon war ein großer Philosoph gewesen, und er hatte sich für den Wunsch entschieden, dass die Planeten sich in miteinander verbundenen Kreisbahnen bewegten, um den beobachteten Orbits zu entsprechen. Aber wie Ptolemäus entdeckte, waren die Gesetze, die diesen geschichteten Kreisbahnen entsprachen, von horrender Komplexität. Das hieß, komplexe Gesetze, die zu einfachen Folgen führten – der falsche Weg. So liefen Ptolemäus’ Arbeiten alle auf eine Theorie hinaus, die klirrte und ächzte; Kristallsphären in mahlender Bewegung, Kettenzäune, Räder und Sperrklinken in einer zum Untergang verurteilten Maschine.
    Einsteins Theorie dagegen war logisch eleganter als Newtons. Kunstfertig, aber einfach. Ihre Konsequenzen waren weitaus schwieriger auszuarbeiten – der richtige Weg. Geistesabwesend kratzte Markham seinen Bart. Wenn man sich daran hielt, konnte man viele Ansätze schon vor Beginn ausscheiden, weil man wusste, dass sie letztlich nicht zum Ziel führten. Es gab keine Wahl zwischen Schönheit und Wahrheit. Man musste beide einbeziehen. In der Kunst war »Eleganz« eine Worthure, von jeder Kritikergeneration anders benutzt. In der Physik jedoch lehrten die vergangenen Jahrtausende eine empfindliche Lektion. Theorien waren eleganter, wenn sie mathematisch in andere Bezugsrahmen, für andere Beobachter umgewandelt werden konnten. Eine Theorie, die nach der generellsten Umwandlung gültig blieb, war die brauchbarste, kam der universellen Form am nächsten. Gell-Manns SU(3)-Symmetrie hatte Teilchen in universellem Maßstab geordnet. Die Lorentz-Gruppe; Isospin; der Katalog der Eigenschaften mit den Etiketten »Strangeness«, »Farbe« und »Charm« – sie alle machten durchschimmernde Zahlen zu konkreten Objekten. Um nach Einstein weiterzumachen, sollte man den Symmetrien folgen.
    Markham kritzelte Gleichungen auf einen gelben Block. Er hatte eigentlich vorgehabt, während der Flugzeit seine Taktik gegenüber der NSF durchzudenken, aber verglichen mit wissenschaftlicher Arbeit war Politik nur Dreck. Er probierte verschiedene Ansätze, stellte die kompakten Tensorgleichungen um, erforschte den mathematischen Irrgarten. Er hatte ein Leitprinzip: Die Natur schien Gleichungen zu mögen, die in kovariante Differentialform gekleidet waren. Um die richtigen Ausdrücke zu finden …
    Er arbeitete die Gleichungen für Tachyonen in einer ebenen Raumzeit aus und wandte sie auf einen begrenzten Fall an. Er nickte. Da waren die vertrauten quantenmechanischen Wellengleichungen. Wohin sie führten, wusste er. Die Tachyonen konnten eine Wahrscheinlichkeitswelle hervorrufen, die in der Zeit vor und zurück reflektiert wurde. Die Gleichungen zeigten auf, wie diese Wellenfunktion pendelte, Vergangenheit – Zukunft, Zukunft – Vergangenheit. Ein Paradox einzuführen bedeutete, dass die Welle kein Ende hatte, sondern stattdessen die Struktur einer stehenden Welle bildete, wie die Kabbelwellen um eine Mole, die Spitzen und Wellentäler veränderten, aber stets wiederkehrten; eine Ordnung, die der der leeren Oberfläche des schäumenden Meers aufgeprägt war. Die einzige

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