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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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völlig deplaziert, hier in der Morgendämmerung der Erde.
    Wir verließen den Strand und drangen in den Wald vor. Furchterfüllt tauchte ich in die Düsternis dieses angeschlagenen Dschungels ein. Unser Plan bestand darin, uns in einem Kreisbogen mit dem sicheren Radius von einer Meile um das Lager durch den Wald zu arbeiten. Da genügte die Schulgeometrie, um einen annähernden Drei-Meilen-Marsch zu ermitteln, den wir entlang dieses Kreisumfangs bewältigen mußten, bis wir uns wieder im Schutz des Strandes befanden; aber ich wußte, daß es schwierig oder gar unmöglich werden würde, einen präzisen Kreis zu beschreiben, weswegen ich unsere Route deutlich länger veranschlagte und eine Dauer von wenigstens fünf Stunden ansetzte.
    Wir hatten uns dem Epizentrum der Druckwelle jetzt so weit genähert, daß die meisten Bäume umgestürzt und zerstört waren – Bäume, die sonst vielleicht Jahrhunderte überlebt hätten, in einem kurzen Augenblick vernichtet –, und wir mußten über die verkohlten, zertrümmerten Überreste von Baumstämmen und durch die
    versengten Überbleibsel des Blätterdachs steigen. Und selbst da, wo die Auswirkungen der ersten Druckwelle weniger gravierend waren, sahen wir die Wunden
    des Feuersturms, der ganze Gruppen von Dipterocarps in ein Gewirr verkohlter Stämme verwandelt hatte, wie riesige abgebrannte Streichhölzer. Die Kuppel aus Blättern war überwiegend zerstört, und das Tageslicht, das auf den Waldboden durchdrang, war intensiver, als ich es bisher gewohnt war. Aber noch immer war der Wald ein Ort der Schatten und des Zwielichts; und die purpurne Glut dieser tödlichen, anhaltenden Explosion überzog die verkohlten Überreste der Bäume und Fauna mit einem schwachen Glühen.
    Es überraschte mich nicht, daß die überlebenden Tiere und Vögel – sogar die Insekten – aus dem verheerten Wald geflohen waren, und wir bewegten uns in einer unheimlichen Stille, die nur durch das Knacken unserer eigenen Schritte und den stöhnenden, heißen Atem der Höllenglut der Bombe durchbrochen wurde.
    An einigen Stellen war das Holz noch so heiß, daß es rauchte oder gar dunkelrot glühte, und an meinen bloßen Füßen bildeten sich bald Brandblasen. Zu ihrem
    Schutz wickelte ich Gras um die Sohlen und erinnerte mich daran, wie ich mir auf die gleiche Art einen Weg aus dem Wald gebahnt hatte, den ich im Jahre 802701 in Brand gesetzt hatte. Mehrmals stießen wir auf die Kadaver von Tieren, die von einem Desaster weit jenseits ihrer Vorstellungskraft ereilt worden waren; trotz der Explosion waren die Selbstheilungskräfte des Waldes intensiv am Wirken, und wir mußten uns auf unserem Weg durch einen Gestank nach Verfall und Tod quälen.
    Einmal tappte ich auf die sich verflüssigenden Überreste einer kleinen Kreatur – es mußte wohl ein Planetatherium gewesen sein – und der arme Stubbins mußte auf mich warten, während ich mir fluchend die ekligen Reste des kleinen Tieres von den Füßen kratzte.
    Nach vielleicht einer Stunde näherten wir uns einer reglosen, gekrümmten Gestalt auf dem Waldboden. Der Gestank war so übel, daß ich mir die Fetzen meines Taschentuchs auf das Gesicht drücken mußte. Der Körper war so schlimm verbrannt und entstellt, daß ich ihn zuerst für den Kadaver eines Tieres hielt – eines jungen Diatrymas vielleicht – aber dann hörte ich Stubbins etwas rufen. Ich trat an seine Seite; und da sah ich, am Ende einer am Boden ausgestreckten verkohlten Extremität, die unversehrte Hand einer Frau. Aufgrund irgendeines bizarren Zufalls hatte das Feuer die Hand fast ganz verschont; die Finger waren wie im Schlaf gekrümmt, und ein schmaler Goldring funkelte am vierten Ringfinger.
    Der arme Stubbins stolperte zwischen die Bäume, wo ich ihn sich übergeben
    hörte. Ich fühlte mich elend, hilflos und desolat, wie ich hier in diesem zerstörten Wald mit den sinnlos am Hals baumelnden Trinkgefäßen stand.
    »Was, wenn alles so aussieht wie das hier, Sir?« fragte Stubbins. »Sie wissen...«
    Er schaffte es nicht, die Leiche anzusehen oder auch nur darauf zu zeigen. »Was, wenn wir keine Überlebenden finden? Was, wenn sie alle tot sind, alle so verbrannt wie...?«
    Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und suchte in mir nach einer Stärke, die ich nicht hatte. »Wenn es wirklich so ist, gehen wir zum Strand zurück und suchen nach einer Möglichkeit zum Überleben«, erwiderte ich. »Wir werden das Beste
    daraus machen; das ist es, was wir tun werden, Stubbins.

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