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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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erreichten eine freie Fläche mit einem Durchmesser von vielleicht einer Viertelmeile. Ich hatte schon lange jeden Orientierungssinn in dieser großen StadtKammer verloren. Nebogipfel setzte seine Brille auf, und ich tat es ihm nach.
    Plötzlich stach ein Lichtbogen durch das Dach über uns und hüllte uns ein. Ich schaute nach oben, in ein warmes Gelb, und sah Staubflocken in der Luft herum-tanzen; für einen Augenblick dachte ich, daß ich wieder zu jenem Lichtkäfig in der kleineren Kammer zurückgekehrt wäre, in der man mich gefangengehalten hatte.
    Ich wartete – ich konnte nicht sehen, ob Nebogipfel der unsichtbaren Maschine, die diesen Ort versorgte, irgendwelche Befehle gegeben hatte – jedenfalls ging ein heftiges Rucken durch den Boden unter mir. Ich taumelte, denn es war wie ein leichtes Erdbeben und kam dazu noch unerwartet; aber ich fing mich schnell wieder.
    »Was war das?«
    Nebogipfel war ungerührt. »Vielleicht hätte ich dich warnen sollen. Unser Aszent ist gestartet.«
    »Aszent?«
    Jetzt sah ich, daß sich eine etwa eine Viertelmeile durchmessende Scheibe aus Glas vom Boden erhob und mich und Nebogipfel in die Höhe beförderte. Es war, als ob ich auf der Oberfläche eines immensen Pfeilers gestanden hätte, der sich aus dem Boden schob. Wir waren bereits etwa zehn Fuß hoch, und unsere Geschwindigkeit schien sich noch zu erhöhen; ich verspürte einen Lufthauch an der Stirn.
    Ich ging ein Stück auf die Abbruchkante der Scheibe zu und beobachtete, wie
    sich diese immense, komplexe Stadt der Morlocks unter mir entfaltete. Die Stadt erstreckte sich über die Grenzen meines Blickfeldes hinaus, völlig eben und
    gleichmäßig bebaut. Sie wirkte wie eine präzise Kartographie, vielleicht eine Sternkarte, wo auf schwarzem Hintergrund silberne Linien aufgetragen waren –
    und die den wirklichen Sternenhimmel dahinter überlagerten. Ein paar silbrige Gesichter blickten mir bei meinem Aufstieg nach, aber die Masse der Morlocks
    wirkte völlig indifferent.
    »Nebogipfel – wohin...?« »Ins Innere«, erklärte er ruhig.
    Ich registrierte eine Veränderung des Lichts. Es wirkte jetzt viel heller und diffuser
    – nicht mehr nur zu einem einzigen Strahl gebündelt, wie es am Fuß der Quelle den Anschein hatte.
    Ich legte den Kopf in den Nacken. Während ich hinsah, erweiterte sich die Licht-scheibe über mir, so daß ich nun um die zentrale Scheibe der Sonne einen ringförmigen Himmelsausschnitt ausmachen konnte. Der Himmel war blau und mit hohen, flockigen Wolken durchsetzt; aber er hatte eine merkwürdige Struktur, eine verwaschene Färbung, die ich zunächst auf die Brille zurückführte, die ich noch aufhatte.
    Nebogipfel wandte sich von mir ab. Er tippte mit einem Fuß auf die Basis unserer Plattform, und ein Objekt kam zum Vorschein – zuerst konnte ich es nicht identifizieren –, das sich dann als eine flache Schüssel entpuppte, aus deren Mitte ein Stab herauswuchs. Erst als Nebogipfel das Teil aufhob und sich über den Kopf hielt, wußte ich, was es darstellen sollte: ein einfacher Sonnenschirm, um die Sonne von seiner bleichen Haut fernzuhalten.
    Solcherart gerüstet stiegen wir zum Licht empor – die Säule verbreiterte sich –
    und schließlich tauchte mein Neunzehnter-Jahrhundert-Kopf in eine Ebene aus
    Gras ein!

Im Inneren
    »Willkommen im Inneren«, sagte der mit seinem Sonnenschirm irgendwie skurril wirkende Nebogipfel.
    Unsere eine Viertelmeile durchmessende Glassäule beendete lautlos die letzten paar Fuß ihres Aufstieges. Ich fühlte mich, als ob ich wie der Assistent eines Zau-berkünstlers auf eine Bühne emporschweben würde. Ich nahm die Brille ab und
    beschirmte mit den Händen die Augen.
    Die Plattform verzögerte und kam zum Stillstand, wobei ihre Kante bündig mit der umliegenden, aus kurzem, drahtigen Gras bestehenden Wiese abschloß, so
    nahtlos, als ob sie ein gegossenes Betonfundament gewesen wäre. An diesem Ort war jetzt Mittag; natürlich, überall im Inneren war Mittag, den ganzen Tag und jeden Tag! Die blendende Sonne stach auf Kopf und Hals – ich mußte wohl bald mit einem Sonnenbrand rechnen – aber das angenehme Gefühl dieses eingefangenen Sonnenlichts war diesen Preis wert, zumindest für den Augenblick.
    Ich drehte mich um und studierte die Landschaft.
    Gras – eine konturenlose Fläche – erstreckte sich bis zum Horizont – mit der Ausnahme indessen, daß es überhaupt keinen Horizont gab, hier auf diesem platten Land. Ich schaute hoch, in der

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