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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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wir sind auch menschlich«, beteuerte er. »Diese Gestalt wird von einer Sequenz aus einer Million Genen definiert, und deshalb ist die Anzahl der potentiellen menschlichen Individuen – wenn auch groß – endlich. Und all diese Individuen können...« – er zögerte – »...von der Intelligenz der Sphäre projiziert werden. Die Sphäre syn-thetisiert die Materialien, die benötigt werden, um das selektierte Individuum zum Leben zu erwecken, und...«
    ›»Selektiert‹?« Ich wandte mich dem Morlock zu, und der Zorn und die Gewalt—
    tätigkeit, die ich so lange aus meinen Gedanken verdrängt hatte, fluteten in meine Seele zurück. »Wirklich sehr rational. Aber was hast du sonst noch alles wegratio-nalisiert, Morlock? Was ist mit Zärtlichkeit? Was mit Liebe?«

Entscheidung und Abschied
    Ich taumelte aus dieser schrecklichen Gebärhütte und schaute mich in der großen StadtKammer um, mit ihren Kohorten geduldiger Morlocks, die ihren unverständlichen Verrichtungen nachgingen. Ich hätte sie anbrüllen, die Fäuste in ihr weiches Fleisch stoßen und ihre selbstgefällige Perfektion zerschlagen mögen; aber selbst in diesem dunklen Moment wußte ich, daß ich es mir nicht leisten konnte, ihnen ein noch schlechteres Bild von mir zu vermitteln.
    Am liebsten wäre ich sogar vor Nebogipfel geflohen. Ich wußte wohl, daß er mir Höflichkeit und Verständnis entgegengebracht hatte: vielleicht mehr, als ich eigentlich verdient hatte, und vielleicht auch mehr, als meine Zeitgenossen einem wütenden Wilden des Jahres 500000 v. Chr. zugestanden hätten. Aber dennoch
    hatte ich den Eindruck, daß ihn meine Reaktion auf den Gebärvorgang fasziniert und amüsiert hatte. Vielleicht hatte er ja auch nur eine Show arrangiert, um eben-diese extreme Reaktion bei mir zu provozieren! Nun, wenn das seine Absicht gewesen sein sollte, hatte Nebogipfel wohl Erfolg gehabt. Aber jetzt waren meine Erniedrigung und der diffuse Zorn so groß, daß ich den Anblick seiner würdevoll frisierten Gestalt kaum ertragen konnte.
    Aber wohin hätte ich denn gehen sollen? Ob es mir nun gefiel oder nicht, Nebogipfel war mein einziger Bezugspunkt in dieser fremden Welt der Morlocks: das einzige lebende Individuum, dessen Namen ich kannte, und – nach allem, was ich bisher wußte – mein einziger Beschützer.
    Vielleicht spürte Nebogipfel diesen Konflikt in mir. Auf jeden Fall drängte er mir nicht seine Gesellschaft auf; vielmehr wandte er mir den Rücken zu und ließ wieder die kleine Schlafhütte aus dem Boden wachsen. Ich kletterte hinein und hockte mich in die dunkelste Ecke, wobei ich die Arme um den Körper schlang – ich verkroch mich wie ein wildes Tier, das man nach New York gebracht hatte!
    Dort blieb ich für einige Stunden – vielleicht schlief ich sogar ein. Schließlich spürte ich, wie sich wieder etwas Zuversicht einstellte, und ich aß eine Kleinigkeit und machte eine Katzenwäsche.
    Ich glaube, daß – jedenfalls vor dem Zwischenfall auf der Gebärfarm – die Einblicke in diese Welt der Morlocks mich in ihren Bann zogen. Ich habe mich immer als einen rationalen Menschen verstanden, und ich war fasziniert von dieser Vision, wie eine Welt Rationaler Wesen ihre Belange regeln konnte – wie Naturwissenschaften und Maschinenbau zur Erschaffung einer besseren Welt beitragen
    konnten. Es hatte mich beeindruckt, welche Toleranz sie z. B. für unterschiedliche Meinungen zu Politik und Regierungsform aufbrachten. Aber der Anblick dieses halbfertigen Homunkulus hatte mir den Rest gegeben. Vielleicht demonstriert meine Reaktion auch nur, wie tief die grundsätzlichen Werte und Instinkte unserer Spezies verwurzelt sind.
    Wenn es denn stimmte, daß die Morlocks ihr genetisches Erbe bezwungen hatten, den Makel der Urmeere, dann beneidete ich sie in diesem Moment um ihren Gleichmut!
    Ich wußte, daß ich mich von der Gesellschaft der Morlocks lösen mußte – ich wurde zwar geduldet, aber es gab hier genauso wenig Platz für mich wie für einen Go-rilla im Mayfair Hotel – und ich begann eine neue Entschlossenheit zu entwickeln.
    Ich kam aus meiner Hütte hervorgekrochen. Nebogipfel stand da und wartete, als ob er immer in ihrer Nähe gewesen wäre. Er wischte mit einer Hand über eine
    Konsole und veranlaßte, daß die leere Hütte wieder vom Boden aufgesogen wurde.
    »Nebogipfel«, sagte ich energisch, »dir muß doch klar sein, daß ich hier so fehl am Platze bin wie ein Zootier, das in die Stadt ausgebrochen ist.«
    Er antwortete

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