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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Erwartung, daß die Welt sich nach oben krümmen würde: ich klebte schließlich nicht mehr an der Außenfläche einer kleinen Felsen-kugel wie der Erde, sondern stand auf der Innenseite einer gigantischen, hohlen Schale. Aber es gab keinen derartigen optischen Effekt; ich sah nur Gras und in weiter Entfernung etwas, das vielleicht Baum-oder Buschinseln darstellte. Der Himmel war eine bläuliche Wand mit weit oben driftenden Schäfchenwolken, der an einer flachen Nahtstelle aus Dunst und Staub mit dem Land verschmolz.
    »Ich habe den Eindruck, auf einer riesigen Tischplatte zu stehen«, eröffnete ich Nebogipfel. »Ich hatte zuerst geglaubt, daß die Landschaft wie eine große Schüssel aussehen würde. Was für ein Paradoxon, daß ich nicht sagen kann, ob ich mich innerhalb einer großen Kugel oder auf der Oberfläche eines gigantischen Planeten befinde.«
    »Man kann es doch sagen«, erwiderte Nebogipfel unter seinem Sonnenschirm.
    »Schau mal nach oben.«
    Ich legte den Kopf in den Nacken. Zunächst konnte ich nur den Himmel und die Sonne erkennen – er sah aus wie jeder beliebige Himmel. Dann begann ich jedoch allmählich etwas über den Wolken auszumachen. Es war diese verwaschene Struktur des Himmels, die mir schon früher aufgefallen war und die ich irrtümli-cherweise einem Defekt der Brille zugeschrieben hatte. Die Kleckse hatten etwas von einem großen, in Blau und Grau und Grün gehaltenen Aquarell, waren aber
    sehr detailliert, so daß noch der größte Fleck gegen den kleinsten Wolkenfetzen wie ein Zwerg wirkte. Das Bild sah eher wie eine Landkarte aus – oder wie mehrere Landkartenfolien, die man übereinandergelegt hatte und nun aus großer Entfernung betrachtete.
    Und es war diese Analogie, die mich auf die Spur brachte.
    »Es ist die Rückseite der Sphäre, der Sonne abgewandt ... Ich nehme an, daß es sich bei den Farben, die ich sehe, um Ozeane handelt und Kontinente und Berg-ketten und Savannen – vielleicht sogar Städte!« Es war ein bemerkenswerter Anblick – als ob Tausende von Welten ihrer felsigen Mäntel beraubt und dann wie Kaninchen an den Haken gehängt worden wären. Die Dimensionen der Sphäre
    waren so gewaltig, daß nirgendwo eine Krümmung zu erkennen war. Vielmehr
    kam es mir so vor, als ob ich zwischen verschiedenen Schichten eingeschlossen wäre, d. h. zwischen diesem platten Grasland und einem Deckel aus verschwom-menem Himmel, wobei die Sonne wie eine Laterne dazwischen hing – und die
    Tiefen des Alls gerade ein oder zwei Meilen unter den Füßen.
    »Denk daran, daß du dich auf der Höhe des Venusorbits befindest«, erinnerte
    mich Nebogipfel. »Aus einer solchen Entfernung wäre die Erde nur als bloßer
    Lichtpunkt zu sehen. Die meisten der hiesigen topographischen Strukturen haben viel größere Dimensionen als auf der Erde.«
    »Es muß also Ozeane geben, in denen man die Erde versenken könnte«, überlegte ich. »Ich vermute, daß die tektonischen Kräfte in einer Struktur wie dieser ...«
    »Es gibt hier keine Tektonik«, fiel mir Nebogipfel ins Wort. »Das Innere und seine Landschaften sind künstlich. Alles, was du siehst, ist im Grunde durchkon-struiert – und in diesem Zustand wird alles auch ganz bewußt belassen.« Er wirkte ungewöhnlich nachdenklich. »Diese Geschichte unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von jener anderen, die du uns beschrieben hast. Aber dennoch gleichen sich auch einige Dinge: Dies ist eine Welt des ewigen Tages – im Gegensatz zu meiner Heimatwelt, auf der ewige Nacht herrscht. Wir haben uns in der Tat zu einer Spezies der Extreme entwickelt, von Licht und Dunkel, genau wie in jener anderen Historie.«
    Dann führte Nebogipfel mich zur Kante unserer Glasscheibe. Er verhielt auf der Plattform, den Kopf unter dem Sonnenschirm verborgen; ich aber betrat kühn das umgebende Gras. Der Boden fühlte sich hart unter den Füßen an, aber ich genoß die Wahrnehmung, einen anderen Boden unter mir zu spüren, nach den Tagen auf diesem klaren, elastischen Glas. Das Gras war zwar kurz, aber hart und drahtig, von der Sorte, die man gewöhnlich in Küstennähe findet; und als ich mich bückte und die Finger in den Boden grub, merkte ich, daß das Erdreich ziemlich sandig und trocken war. In der Reihe von kleinen Gruben, die ich ausgehoben hatte, kam ein kleiner Käfer zum Vorschein; er wühlte sich tiefer in den Sand und verschwand aus meinem Blickfeld.
    Eine Brise wehte über das Gras. Ich registrierte das Fehlen von Vogelgezwit—
    scher; ich

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