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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Schließlich schoß die Sonne so schnell über den Himmel, daß man ihr nicht mehr folgen konnte, sie
    wurde wieder zu einem Lichtband, und der Tag-Nacht-Rhythmus wich diesem
    uniformen und kalten, perlmuttartigen Glühen.
    Ich sah also, daß die Neigung der Erdachse und ihre Rotation wiederhergestellt wurden.
    Der Morlock sackte in sich zusammen und ließ das Gesicht auf die Brust sinken.
    Er hatte zwar noch die Brille auf, aber ihre Schutzwirkung schien nicht mehr aus-zureichen; er schien sich in die Innereien der Maschine verkriechen zu wollen, und sein Rücken glühte weiß im verwaschenen Sonnenlicht.
    Ich mußte einfach lachen. Ich erinnerte mich, daß er darauf verzichtet hatte, mich zu warnen, als unsere Kapsel von der Sphäre ausgestoßen wurde und in den Raum stürzte: Nun, hier bekam er die Quittung!
    »Nebogipfel, das ist nur Sonnenlicht.«
    Nebogipfel hob den Kopf. Im verstärkten Licht hatten sich seine Brillengläser zu einem undurchdringlichen Schwarz verfärbt; sein Gesichtshaar war verklebt und schien tränennaß zu sein. Das durch die Haare sichtbare Fleisch seines Körpers glühte in einem blassen Weiß. »Es sind nicht nur die Augen«, sagte er. »Sogar in diesem abgeschwächten Zustand schmerzt mich das Licht. Wenn wir erst in die
    volle Helligkeit der Sonne eintauchen...«
    »Sonnenbrand!« rief ich. Nach so vielen Generationen in der Dunkelheit würde dieser Morlock schon unter der trüben englischen Sonne mehr zu leiden haben als selbst der blasseste Albino in den Tropen. Ich zog die Jacke aus. »Hier«, meinte ich, »das müßte dir als Schutz dienen können.«
    Nebogipfel wickelte sich in meine Jacke und verbarg sich unter ihren Falten.
    »Und außerdem«, ergänzte ich, »wenn ich die Maschine anhalte, werde ich darauf achten, daß wir nachts ankommen, damit wir einen Schutz für dich suchen
    können.« Als ich darüber nachdachte, fiel mir ein, daß es in jedem Fall ein guter Gedanke wäre, im Schutz der Dunkelheit zu landen: Ich hätte sonst einen schönen Anblick geboten, wenn ich mit diesem Monster aus der Zukunft inmitten einer
    Horde gaffender Spaziergänger auf dem Hügel aufgetaucht wäre!
    Das Dauergrün der Hügelkette verschwand und wurde wieder vom Wechsel der
    Jahreszeiten abgelöst. Wir reisten jetzt zurück durch das Zeitalter der Großen Bauwerke, das ich schon früher beschrieben hatte. Mit der auf dem Kopf drapierten Jacke schaute Nebogipfel mit offenkundiger Faszination nach draußen, während Brücken und Pylonen wie Nebelschwaden über die flackernde Landschaft zogen.
    Was mich betraf, so verspürte ich eine enorme Erleichterung, daß wir uns wieder meinem eigenen Jahrhundert näherten.
    Plötzlich zischte Nebogipfel – es war ein merkwürdiges, katzenhaftes Geräusch –
    und preßte sich enger in das Innere der Maschine. Mit großen, starren Augen
    blickte er nach vorne.
    Ich wandte mich von ihm ab und registrierte, daß die außergewöhnlichen optischen Effekte, die ich auf meiner Reise in das Jahr 657208 beobachtet hatte, wieder auftraten. Ich hatte den Eindruck von dichten Sternenfeldern, die versuchten, durch die dünne Oberfläche der mich umgebenden Objekte zu brechen... Und hier, ein paar Yards vor der Maschine schwebend, war der Beobachter: Mein unglaublicher Begleiter. Seine Augen waren auf mich geheftet, und ich ergriff das Geländer.
    Ich starrte diese verzerrte Parodie eines menschlichen Gesichts und die baumelnden Tentakel an – und erneut war ich betroffen von der Ähnlichkeit mit der hoppelnden Kreatur, die ich dreißig Millionen Jahre später an diesem einsamen Strand gesehen hatte.
    Es war komisch – aber meine Brille – die mir in der Dunkelheit der Morlocks so gute Dienste geleistet hatte – versagte hier, als ich diese Kreatur betrachtete. Ich sah sie nicht schärfer, als das auch mit bloßen Augen möglich gewesen wäre.
    Jetzt vernahm ich ein leises Nuscheln, wie ein Wimmern. Es kam von Nebogipfel, der sich mit allen Anzeichen des Unwohlseins an seinem Platz in der Maschine zusammenkauerte.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, meinte ich etwas unbeholfen. »Ich habe dir doch schon von meiner Begegnung mit diesem Wesen auf dem Weg zu eurem
    Jahrhundert erzählt. Es sieht zwar fremdartig aus, scheint aber harmlos zu sein.«
    Durch sein zitterndes Wimmern sagte Nebogipfel: »Du verstehst nicht. Was wir sehen, ist unmöglich. Dein Beobachter verfügt offenbar über die Fähigkeit, zwischen den Korridoren zu wechseln – zwischen potentiellen

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