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Zeitschiffe

Zeitschiffe

Titel: Zeitschiffe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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mich gerichtet sein mußten – es blieben mir nur noch Sekunden, bevor ich verloren war!
    Das Blut rauschte mir in den Ohren – ich riß die Hebel aus der Tasche – und mit einem Aufschrei stürzte ich mich auf die Maschine. Ich rammte die kleinen Griffe in ihre Halterungen und riß die Hebel mit einer fließenden Bewegung zurück. Die Maschine erzitterte – im letzten Moment glaubte ich noch, einen grünen Blitz gesehen und damit ausgespielt zu haben! – und dann verschwanden die Sterne, und Stille umgab mich. Ich spürte ein starkes zerrendes Gefühl und dann diese unangenehme Wahrnehmung des freien Falls – aber ich begrüßte diese Unbilden sogar, denn sie waren die bekannten Indizien der Zeitreise!
    Ich schrie laut auf. Es war mir gelungen – ich war frei!
    ... Und dann registrierte ich die Kühle um meinen Hals – etwas Weiches, als ob sich ein Insekt darauf niedergelassen hätte, ein Rascheln.
    Ich führte eine Hand zum Hals – und berührte Morlock-Haar!

Der zeitreisende Argonaut
    Ich umklammerte diesen dünnen Unterarm mit einer Hand und riß ihn vom Hals
    los. Ohne den Arm loszulassen, drehte ich mich um. Neben mir hingestreckt, über dem Nickel und Messing, lag ein haariger Körper – ein schmales Gesicht mit Brille dicht an meinem – und der unverkennbare süßliche, verweste Morlock-Gestank!
    »Nebogipfel.«
    Seine Stimme klang leise und dünn, und seine Brust hob und senkte sich. Hatte er Angst? »Bist du also abgehauen. Und so leicht...«
    Er sah wie eine Puppe aus Lumpen und Roßhaar aus, wie er sich so an meine
    Maschine klammerte. Er war eine Erinnerung an diese alptraumhafte Welt, der ich entkommen war – ohne Frage hätte ich ihn kurzerhand über Bord werfen können –
    und doch hielt ich mich zurück.
    »Vielleicht habt ihr Morlocks meinen Handlungsspielraum unterschätzt«,
    keuchte ich. »Aber du – du hast es geahnt, richtig?«
    »Ja. In allerletzter Sekunde... Ich muß wohl gelernt haben, deine unbewußte Kör-persprache zu interpretieren. Ich wußte, daß du die Maschine in Betrieb nehmen wolltest – ich hätte dich gerade noch packen können, bevor...
    Könnten wir uns nicht arrangieren?« flüsterte er. »Ich bin hier in einer ungemütlichen Lage und falle gleich von der Maschine.«
    Er schaute mich an, während ich seinen Antrag überdachte. Ich wußte, daß ich auf die eine oder andere Art eine Entscheidung zu treffen hatte; sollte ich ihn als Mitreisenden akzeptieren oder nicht?
    Aber ich würde ihn kaum von der Maschine werfen; so gut kannte ich mich dann doch!
    »Na schön...«
    Und so vollführten wir Argonauten der Zeit ein außergewöhnliches Ballett, hier in inmitten des Gewirrs meiner Maschine. Ich hielt Nebogipfels Arm fest – um ihn vor einem Sturz zu bewahren und zu verhindern, daß er an die Steuerung der Maschine gelangte – und unter diversen Verrenkungen kam ich wieder aufrecht im Sattel zu sitzen. Schon als junger Mann war ich nicht besonders gelenkig gewesen, und als ich endlich wieder an meinem Platz war, keuchte ich ungehalten. Nebogipfel hatte sich mittlerweile in einem freien Abschnitt der Maschine bequem eingerichtet.
    »Warum bist du mir gefolgt, Nebogipfel?«
    Nebogipfel starrte hinaus in die düstere, verschwommene Landschaft der Zeitreise und antwortete nicht.
    Ich konnte mir die Frage aber auch selbst beantworten. Ich erinnerte mich an seine Neugier und Faszination bei meiner Schilderung der Ersten Zukunft, als wir zusammen in der interplanetarischen Kapsel unterwegs waren. Der Morlock war
    einem Impuls gefolgt und mir hinterhergeklettert – einem durch Neugier motivierten Impuls, der ebenso wie bei mir noch auf die Affen zurückging! Ich fühlte mich dadurch merkwürdig gerührt, und meine Sympathie für Nebogipfel stieg etwas.
    Die Menschheit hatte sich in den Jahren, die uns trennten, zwar sehr verändert, aber hier war der Beweis, daß die Neugier, dieser unstillbare Drang nach Wissen –
    und die Skrupellosigkeit, die daraus resultierte – noch nicht ganz gestorben war.
    Und dann tauchten wir in ein Licht ein – über meinem Kopf sah ich die Demontage der Sphäre – ungefiltertes Sonnenlicht überflutete die Maschine, und Nebogipfel heulte auf!
    Ich setzte die Brille ab. Die befreite Sonne hing zunächst stationär am Himmel, doch nicht lange, und sie begann sich von ihrer fixierten Position wegzubewegen.
    Mit zunehmendem Tempo zog sie bogenförmig über den Himmel, und der Wechsel von Tag und Nacht kehrte wieder auf die Erde zurück.

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