Zeitschiffe
vielleicht einen Blick auf eine Brille mit Goldrand und Stiefel werfen, die wegen der Hühneraugen offenstehen...«
»Aber Sie...«, wollte ich loslegen.
»Oh, ich habe nicht vor, die geduldigen Arbeitstiere dieser Welt zu verunglimp-fen! – Ich wage zu behaupten, daß ich mich in den kommenden Jahren auch auf die Ochsentour begeben muß – aber ich verspüre auch eine gewisse Ungeduld. Ich will nämlich immer herausfinden, wie sich die Dinge entwickeln, wissen Sie.« Er nahm einen Schluck von seinem Drink. »Ich habe bereits einige Veröffentlichungen vorzuweisen – einschließlich einer in den Philosophical Transactions – und eine Anzahl weiterer Studien, die auch von ziemlicher Bedeutung sind. Aber die Arbeit an dem Plattnerit...«
»Ja?«
»Ich habe ein merkwürdiges Gefühl deswegen. Ich möchte sehen, wie weit ich
allein damit komme...«
Ich beugte mich vor. Ich sah, wie das Kerzenlicht von den Blasen in seinem Glas reflektiert wurde, und seine Mimik war lebhaft und engagiert. Es war die ruhigste Zeit der Nacht, und ich schien mit übernatürlicher Klarheit jedes Detail wahrzunehmen, das Ticken jeder Uhr im Haus zu hören. »Sagen Sie mir, was Sie meinen.«
Er strich seine lächerliche Clownskutte glatt. »Ich habe Ihnen von meinen Spekulationen berichtet, wonach ein durch Plattnerit geschickter Lichtstrahl in der Zeit versetzt wird. Damit meine ich, daß sich der Strahl ohne Zeitverlust zwischen zwei Punkten im Raum bewegt. Aber ich habe den Eindruck«, meinte er langsam, »daß, falls das Licht sich auf diese Art durch die Zeit bewegen kann, dies auch für materielle Objekte möglich wäre. Ich bin der Ansicht, wenn man das Plattnerit mit einer geeigneten kristallinen Substanz vermischen würde – vielleicht mit Quarz oder einem anderen Felskristall – dann...« »Ja?«
Er schien wieder Bodenhaftung zu bekommen. Er stellte das Brandyglas auf einen Beistelltisch an seinem Stuhl und beugte sich vor; seine hellgrauen und ernsten Augen schienen im Kerzenlicht zu schimmern. »Ich weiß nicht, ob ich noch mehr sagen soll! Schauen Sie: Ich bin sehr offen zu Ihnen gewesen. Und nun ist es an der Zeit, daß Sie genauso offen zu mir sind. Wollen Sie das tun?«
Ich schaute ihm ins Gesicht, um eine Antwort zu finden – in Augen, die, obwohl von glatterer Haut umgeben, unbestreitbar meine eigenen waren, die Augen, die mich jeden Tag im Rasierspiegel anstarrten!
»Wer sind Sie?« zischte er, offenbar nicht imstande, den Blick zu wenden.
»Sie wissen, wer ich bin. Stimmt's?«
Der Moment zog sich in die Länge, still und schweigsam. Der Morlock war nur
schemenhaft präsent, kaum von uns zur Kenntnis genommen.
Schließlich sagte Moses: »Ja. Ja, ich glaube, ich weiß es.«
Ich wollte ihm Zeit geben, sich auf diese Situation einzustellen. Die Realität der Zeitreise – für jedes Objekt, das substantieller war als ein Lichtstrahl – befand sich für Moses noch immer halb im Reich der Phantasie! So abrupt mit ihrem physikalischen Beweis konfrontiert zu werden – und was noch schlimmer war, mit seinem eigenen Ich aus der Zukunft –, mußte ein immenser Schock gewesen sein.
»Vielleicht solltest du meine Gegenwart hier als unvermeidliche Konsequenz
deiner Forschungen betrachten«, schlug ich vor. »Muß eine Zusammenkunft wie
diese denn nicht zwangsläufig eintreten, wenn du deine Versuchsreihe wie geplant ablaufen läßt?«
»Vielleicht...«
Aber jetzt bemerkte ich, daß seine Reaktion – er war weit davon entfernt, vor Ehrfurcht zu erstarren, wie ich vielleicht erwartet hätte – weitaus weniger respekt-voll ausfiel. Er schien mich erneut zu inspizieren, und sein Blick glitt taxierend über Gesicht, Haare und Kleidung.
Ich versuchte, mich selbst mit den Augen dieses energischen Sechsundzwanzigjährigen zu sehen. Absurderweise fühlte ich mich unsicher; ich schob mein Haar zurück, das ich seit dem Jahr 657208 n. Chr. nicht mehr gekämmt hatte – und zog den Bauch ein, der bei weitem nicht mehr so straff war wie seinerzeit.
Aber diese Mißbilligung hielt sich dennoch in seinem Gesicht.
»Schau nur gut hin«, empfahl ich ihm herzlich. »So wirst du nämlich auch mal aussehen!«
Er rieb sich das Kinn. »Machst nicht gerade viel Sport, was?« Er riß an seinem Daumen. »Und er – Nebogipfel – ist er...«
»Ja«, bestätigte ich. »Er ist ein Mensch aus der Zukunft – aus dem Jahr 657208 n.
Chr. und auf einer wesentlich höheren Entwicklungsstufe als wir – den ich auf meiner Zeitmaschine
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