Zeitspuren: Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke - Meisterwerke der Science Fiction (German Edition)
nehmen, und habe dabei den Trauerkranz an der Tür des alten Mr. Bostwick gesehen: den starren dunklen Kranz mit den Lavendelblüten, den man über die Tür hängt, um anzuzeigen, dass ein Hausbewohner gestorben ist. Der alte Bostwick war 1799 geboren worden, in dem Jahr, in dem George Washington starb; für einige Monate oder Wochen oder vielleicht auch nur für einige Tage sind sie Zeitgenossen gewesen. Stellen Sie sich das vor! Nun ist er fort, ein Faden zur Vergangenheit gerissen. Aber diese Fäden zerreißen jeden Tag, die Vergangenheit rückt immer weiter zurück und wird in unserem Bewusstsein immer leiser und leiser.
Düstere Gedanken, die sich mir hier draußen aufdrängen. Aber ich unterdrücke sie sehr schnell. Denke nicht mehr an das, was passiert ist. Und denke nicht mehr an Jot; ich hoffe, sie wurde gerettet – ich bin mir sicher, dass sie es geschafft hat. Sie hatte mir nicht gestattet sie zu begleiten; sie war verzweifelt und weinte und rannte einfach davon.
Ja, Rove, ich bin noch da; habe nicht die Tür zugeschlagen und dich draußen alleine gelassen. Ich bin da, und Julia ist oben und bringt Willy ins Bett. Ich bin mir sicher, dass es ihm in den kommenden Jahren gut gehen wird; Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Julia wird selbst bald zu Bett gehen und ich werde mich zu ihr gesellen – welch angenehmer Gedanke. Aber dann schleicht sich immer wieder – verdammt noch mal, wie kann ich das nur vermeiden – das Jotta Girl in meine Gedanken ein und die Vorstellung, dass wir es hätten tun können, tun sollen, und beinahe auch getan haben; schlimmer aber noch ist der kleine Stachel des Bedauerns, den ich dabei verspüre. Ich kann es nicht leugnen und frage mich – oh Gott, frage mich, wie es gewesen wäre. Reiß es aus deinem Herzen, verbann es aus deinem Kopf!
Der alte Rove durchquert den matten hohen Lichtkegel der Straßenlaterne, kommt jetzt mit heraushängender Zunge die Treppe hoch und lässt sich freundschaftlich neben mir nieder, in der hoffnungsvollen Gewissheit, dass ich ihn hinter den Ohren kraule. In einigen Minuten werde ich dann hinein und zu Julia hochgehen. Und morgen werde ich anfangen zu planen; Notizen machen und Listen aufstellen. Die Fenster im Erdgeschoss müssen abgedichtet werden, glaube ich, sowohl in unserem Haus wie in dem von Tante Ada. Vielleicht sollte sie für eine Woche zu uns ziehen; das dürfte das Beste sein. Und ich muss mir genau überlegen, wie viel Lebensmittel und Kohle wir brauchen und Holz, mindestens einen Klafter. All die Dinge, die getan werden müssen – ja, Rove, wir gehen ja gleich rein –, um uns auf den Blizzard von ’88 vorzubereiten.
Titel der amerikanischen Originalausgaben
TIME AND AGAIN
FROM TIME TO TIME
Deutsche Übersetzung von Karl-Heinz Ebnet,
neu durchgesehen und vollständig überarbeitet
von Angela Herrmann
Überarbeitete Neuausgabe 8/08
Copyright © 1970/1995 by Jack Finney
Copyright © 2008 des Vorworts by Wolfgang Jeschke
Copyright © 2008 dieser Ausgabe by
Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
www.heyne.de
Umschlagbild: Getty Images, Harald Sund
Umschlaggestaltung: Hauptmann und
Kompanie, München - Zürich
Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels
eISBN 978-3-641-10548-8
www.randomhouse.de
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