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Zelot

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Titel: Zelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reza Aslan
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Zwar genoss keine von ihnen uneingeschränkten Vorrang vor den anderen, doch drei Sekten oder vielmehr
Schulen
beeinflussten das jüdische Denken der Zeit besonders stark: die Pharisäer, vor allem Rabbinen und Gelehrte aus der Unter- und Mittelschicht, die die Gesetze für die Massen auslegten; die Sadduzäer, konservativere und mit Blick auf Rom angepasstere Priester aus reicheren, landbesitzenden Familien; und die Essener, eine vorwiegend priesterliche Bewegung, die sich von der Autorität des Tempels losgesagt und ihr Hauptquartier in Qumran auf einer öden Bergkuppe in der Nähe des Nordwestufers des Toten Meeres aufgeschlagen hatte.
    Beauftragt mit der Befriedung und Verwaltung einer widerspenstigen und heterogenen Bevölkerung aus Juden, Griechen, Samaritern, Syrern und Arabern – die ihn alle noch mehr hassten als sie einander verabscheuten –, gelang es Herodes meisterhaft, die Ordnung im Namen Roms aufrechtzuerhalten. Seine Regierung läutete eine Ära politischer Stabilität unter den Juden ein, wie es sie seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben hatte. Er rief ein monumentales öffentliches Bauprogramm ins Leben, das Zehntausenden Kleinbauern und Tagelöhnern Arbeit gab und die Topographie Jerusalems dauerhaft veränderte. Märkte und Theater, Paläste und Häfen nach klassischem griechischem Vorbild schossen überall wie Pilze aus dem Boden.
    Um seine kolossalen Bauprojekte wie auch seine eigenen Extravaganzen zu finanzieren, erlegte Herodes seinen Untertanen erdrückende Steuern auf, von denen er immer einen saftigen Tribut in Rom ablieferte, und das mit Freuden, als Ausdruck seiner Wertschätzung für seine römischen Herren. Herodes war nicht einfach ein Klientelkönig des Kaisers. Er war ein enger persönlicher Freund, ein loyaler Bürger der Republik, der Rom mehr als nur nacheifern wollte; er wollte im Sand von Judäa ein zweites Rom schaffen. Dazu legte er auch ein forciertes Hellenisierungsprogramm auf und brachte griechische Sportstätten und Theater sowie römische Amphitheater und Bäder nach Jerusalem. Er machte Griechisch zur Sprache seines Königshofes und prägte Münzen mit griechischen Buchstaben und heidnischen Insignien.
    Doch Herodes war auch ein Jude, und als solcher wusste er, wie wichtig es war, die religiösen Gefühle seiner Untertanen anzusprechen. Deshalb begann er mit seinem ehrgeizigsten Projekt: dem Umbau und der Erweiterung des Tempels in Jerusalem. Es war Herodes, der den Tempel auf einer Plattform auf dem Berg Morija – dem höchsten Punkt der Stadt – erhöhte und ihn mit breiten römischen Kolonnaden und hoch aufragenden Marmorsäulen verschönerte, die in der Sonne glänzten. Herodes’ Tempel sollte seine Schutzherren in Rom beeindrucken, aber er sollte auch seinen jüdischen Landsleuten eine Freude machen, von denen viele den König der Juden nicht als echten Juden gelten lassen wollten, denn Herodes war letztlich und endlich ein Konvertit. Seine Mutter war Araberin. Sein Volk, die Idumäer, hatten sich erst eine oder zwei Generationen zuvor zum Judentum bekehrt. Der Umbau des Tempels war für Herodes nicht nur ein Mittel, um seine politische Vorherrschaft zu untermauern; es war eine verzweifelte Bitte um Akzeptanz bei seinen jüdischen Untertanen.
    Doch damit fand er keinen Anklang.
    Trotz aller Arbeit am Tempel erzürnten Herodes’ unverfrorener Hellenismus und seine aggressiven Versuche, Jerusalem zu «romanisieren», die frommen Juden, die ihren König offenbar noch immer als einen Sklaven fremder Herren und einen Anhänger fremder Götter sahen. Nicht einmal der Tempel, das höchste Symbol jüdischer Identität, konnte Herodes’ Schwärmerei für Rom verhehlen. Kurz vor der Fertigstellung platzierte Herodes einen goldenen Adler – das Zeichen römischer Herrschaft – über dem Hauptportal und zwang seinen handverlesenen Hohepriester, zwei Opfer pro Tag für Kaiser Augustus als «den Sohn Gottes» darzubringen. Wie gut Herodes sein Königreich im Griff hatte, zeigt sich daran, dass der allgemeine Hass der Juden auf seine Herrschaft nie in einem Aufstand mündete, jedenfalls nicht, solange er lebte.
    Als Herodes der Große 4  v. Chr. starb, teilte Augustus sein Herrschaftsgebiet unter dessen drei Söhnen auf: Archelaos bekam Judäa, Samarien und Idumäa; Herodes Antipas – der «Fuchs» – regierte über Galiläa und Peräa (eine Region jenseits des Jordan und nordöstlich des Toten Meeres); und Philippos bekam die Kontrolle über die Gaulanitis

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