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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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in Sicherheit war, mit dem Bedürfnis, selbst zu fliehen.
    Kurzzeitig wollte Sothorn sich nicht in Sicherheit bringen. Wollte sich nicht bewegen. Er konnte kaum noch atmen und ein eigenartiges Gefühl von tiefem Frieden und Nähe legte sich auf
seine Glieder.
    In Flammen aufzugehen, war kein schlechter Tod. Erst recht nicht, wenn man getan hatte, was richtig war.
    Ebenso unerwartet, wie der trügerische Frieden von Sothorn Besitz ergriffen hatte, kehrte die Angst zurück. Die Wände schrumpften um ihn herum zusammen, die Atemnot wurde ihm
quälend bewusst.
    Er kam auf die Beine, verspürte kurz das Bedürfnis, auf allen vieren aus der Festung zu kriechen, bis ihm dämmerte, wie töricht es wäre, dem heißen Stein vier
Angriffsflächen zu bieten statt zwei.
    Schwankend kam Sothorn auf die Beine. Endlos erstreckte sich der Flur vor ihm, dahinter der Tunnel.
    Und er hörte das Röhren des Elementars, der für die Vernichtung verantwortlich war und sich unerbittlich tiefer in den Fels fraß.
    „
Tagjer, ylis heris!“
, schluchzten die Adelijar in seinem Kopf. Lauf, mein Kind.
    Er wollte ja laufen. Aber seine Kräfte ließen nach, waren mit Gwanja auf dem Weg in die Freiheit. Ihn hatten sie zurückgelassen.
    Seine Hände brachten ihn um, die Hitze verdichtete sich in ihnen zu einem Großbrand, der ihn in die Knie zwingen wollte. Mit jedem Atemzug wurde die Luft dünner.
    Als er den Eingang zum Tunnel erreichte, stürzte er. Er hatte nicht länger eine Wahl, wie er sich fortbewegen wollte. Um sich aufzurichten, fehlte ihm die Kraft. Seine Handflächen
konnten die Berührung des Felsbodens nicht ertragen. Blut und Wundwasser hinterließ Spuren auf dem Stein, als er vorwärts robbte.
    Nie hatte Sothorn eine größere Sehnsucht nach dem Himmel verspürt. Er hungerte nach dem Blau, das sich am Morgen unschuldig über der Festung ausgebreitet hatte.
    Während er sich vorstellte, sich in das kühle Gras am Fuß der Klippe zu rollen oder sich gar in die Fluten des Meers zu stürzen, kam die Dunkelheit näher. Sie bewegte
sich von den Rändern seines Sichtfelds auf ihn zu.
    Der Tunnel wurde enger, der tanzende Lichtpunkt am Ende blasser.
    Die Angst vor dem Feuer, die ihm gefehlt hatte, als er Geryims Verzweiflung nachgab, zitterte in seiner Wirbelsäule und trieb ihn vorwärts. Zu langsam.
    Er war zäh, aber nicht zäh genug.
    Erschöpft schloss er die Augen; nicht wissend, ob er sie nach einer Ruhepause wieder öffnen konnte. Wollte.
    Es schien so viel leichter, sich der Finsternis zu ergeben.
    Der Mensch wollte nachgeben, aber für das Tier in ihm kam aufgeben nicht infrage. Es fürchtete Hitze und Feuer.
    Derselbe Instinkt, der einen Fuchs in der Falle das eigene Bein abreißen ließ, statt auf den Jäger zu warten, ließ Sothorn kriechen. Auf Knien und Ellenbogen.
    Vorwärts.
    Zu seiner Familie. Zur Bruderschaft. Zu denen, die ihm beigestanden hatten, als er am Boden lag. Szaprey würde seine Wunden versorgen, Theasa wie eine Mutter über ihn wachen,
während er heilte. Er wollte sie wiedersehen.
    Er wollte zu Geryim. Zu Geryim und Syv und Gwanja. Zu seinem Rudel.
    Vor dem Ende des Tunnels verlor Sothorn das Bewusstsein, aber es machte ihm keine Angst.
    Es war gut. Er hatte es geschafft. So viel wusste er. Er hatte alles gegeben, was er hatte. Nun waren andere an der Reihe.
    Ihre Schatten näherten sich ihm.
    Er mochte nicht bei sich sein, aber er spürte ihre Hände, die ihn aufhoben, hörte sie auf ihn einreden, fühlte, wie jemand seinen Kopf anhob und ihn in seiner Armbeuge
barg.
    Das Wasser auf seinen Lippen schien zu kochen. Er konnte nicht schlucken, nicht atmen, nicht riechen, nichts spüren außer den Schmerzen in Brust und Händen.
    Seine Lider flatterten.
    Über ihm spannte sich der Himmel. Das tiefe Blau war durchzogen von einzelnen Wolken, deren graue Bäuche ihn an Schafe denken ließen, die sich in den Staub gelegt hatten.
    Sothorns aufgesprungene Lippen formten ein Lächeln, und er ließ den Kopf gegen Geryims Arm sinken.

Heimatlos
    Sothorn erwachte vom Rollen und Stampfen des Schiffes. Oder vielmehr, weil ihm die unruhigen Bewegungen der
Henkersbraut
Angst einflößten; eine merkwürdige, tief in der
Brust sitzende Angst, die verblasste, umso wacher er wurde.
    Weit öffnete er den Mund, seine Brust wölbte sich. Seine Gier nach Luft war immens und der Tatsache geschuldet, dass seine letzte Erinnerung von Atemnot verdunkelt war.
    Die drohende Finsternis, der Rauch, das Wissen um seine

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