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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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angepriesenen Lebensmittel manchmal verdorben, bevor sie auf den Tischen der
ärmeren Bewohner landeten.
    Balfere war keine große Stadt. Zumindest nicht im Vergleich mit Auralis, der selbst ernannten Hauptstadt Sundas.
    Aber das dunkle Juwel der Westküste hatte seine Vorzüge. Wie die Nester der Strandkrähen hing es in den Klippen und konnte nur vom Meer aus angegriffen werden. Das natürliche
Rund des Hafens war mit Wachtürmen gesichert, sodass kein feindliches Schiff sich nähern konnte, ohne dass die Wachen die Sturmtore in Richtung Oberstadt verschlossen.
    Hinzu kam, dass Balfere eine freie Handelsstadt war. Kein Graf, keine weltliche Gerichtsbarkeit konnte den Handelsherren von Balfere Befehle erteilen. Sie allein entschieden, wer bei ihnen
handeln durfte, welche Waren angeboten wurden und welche Zünfte sich bei ihnen niederließen.
    Das gewinnorientierte Denken der Stadtväter zog neben ehrlichen Händlern und Handwerkern auch allerlei Schattenvolk an. Dass sich an diesem stürmischen Spätwintertag neben
zwei Koggen, die auf das Löschen ihrer Ladung warteten, auch eine schwer bewaffnete Galeone in den Wellen wiegte, war nichts Ungewöhnliches.
    Seeräuber, Söldner, Spione, Hehler, sie alle fühlten sich in Balfere zuhause. Und mit ihnen und ihren vollen Geldbörsen kamen die Huren, Glücksspieler, Buchmacher,
Kriegstreiber, Geldverleiher, Beutelschneider und andere finstere Gestalten.
    Die findigen Händler hielt dieses Aufgebot dunkler Geschäftszweige nicht fern. Was für den einen Diebesbeute war, war für den anderen ein lukratives Geschäft.
    Man arrangierte sich. Entweder in klingender Münze oder mit dem Dolch.
    Beides war Stolan von Meerenburg recht.
    Er war die Graue Eminenz Balferes. Über Jahrzehnte hatte er ein Spinnennetz aus Kontakten durch die Gassen der Stadt gewoben, bis sie zu seinem heimlichen Eigentum wurde. Er verlangte nicht
viel. Keinen Respekt, keine Ehrerbietung, keine Krone, nicht einmal Steuern. Alles, was er wollte, war genug Macht, um das nach Salz und Tang riechende Juwel sein Eigen nennen zu können, und
genug Silber, um angenehm zu leben.
    Stolans faltiges Gesicht verzog sich zu einem spöttischen Lächeln, als sein Blick über den in der Tiefe liegenden Hafen wanderte. Fischer flickten ihre Netze am Pier. Fässer
voll Branntwein und Rum wurden in ein nahes Lagerhaus gerollt. Rauch kräuselte sich über der Schmiede, die man nah am Wasser und von anderen Gebäuden isoliert errichtet hatte. Die
Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Feuer bis in die Oberstadt fraß und ernsthaften Schaden an den herrschaftlichen Anwesen anrichtete, war kaum vorhanden. Aber es nützte nichts, wenn das
gemeine Volk drei oder vier Mal im Jahr seine Hütten neu aufbauen musste.
    Stolan mochte keine Verschwendung. Nicht von Silber, nicht von Holz und nicht von menschlicher Arbeitskraft. Für Letztere hatte er immer Verwendung. Und wenn er die Männer unter
fadenscheinigen Vorwänden zur Fronarbeit in die Silberminen schickte.
    Der Nordwind griff unter seinen mit Brandlöwenfell besetzten Umhang, als er die Balustrade entlang schlenderte. Seine vom Alter gekrümmten Finger glitten über den Granit. Der mit
Wasserspeiern geschmückte Balkon zog sich um die Westseite des Stockwerks. Wer immer dieses Gebäude errichtet hatte, musste das Meer ebenso geliebt haben wie er.
    Stolan spitzte die Ohren, als er hinter sich Geräusche wahrnahm. Wie von selbst wanderte seine Hand zu dem Dolch an seinem Gürtel. Er war kein Krieger, beherrschte silberne Messer und
Gabeln besser als das Schwert. Aber das unsichtbare Gift auf seiner Klinge verlangte nur nach einem Treffer, nach einer einzigen Berührung bloßer Haut. Damit fühlte er sich so
sicher, wie ein Mann in seiner Position sich fühlen konnte.
    „Herr?“ Die Stimme des Dieners klang belegt.
    Stolan war dafür bekannt, mit den Überbringern schlechter Nachrichten recht willkürlich zu verfahren. Darin unterschied er sich kaum von anderen herrschsüchtigen Despoten,
doch bei ihm wusste man nie, was in seinen Augen eine schlechte Nachricht war.
    Stolans Umhang bauschte sich im Wind auf, als er sich ruckartig umdrehte. Der Stoff spannte sich, als eine Böe in ihn hineingriff, und bildete einen majestätischen Rahmen für
einen mächtigen Mann. Für einen Moment rückten die Legenden von geflügelten Kreaturen zwischen Mensch und Drache in den Bereich des Denkbaren.
    „Sprich.“
    „Euer Freund ist zurückgekehrt, Herr“, sagte der in

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