Zentaurengelichter
untertrieben. Die Kurzversion dauerte zwei Stunden und umging das schlechteste Benehmen der Damen mit Nachnamen Tate. Allerdings glaube ich, daß er ahnte, was ich ausließ.
Als ich fertig war, sagte er: »Ich habe mich umgehört, und Sie haben den Ruf, mit Ihren Spesen ehrlich zu sein. So bizarr und umfangreich diese auch ausfallen mögen, nehme ich doch an, daß sie gerechtfertigt sind. Alles in allem.«
»Der Vorschuß hat fast alles abgedeckt, bis auf die Honorare«, informierte ich ihn. »Ich mußte etwa hundert vorstrecken, hauptsächlich wegen der Kosten, die Mädchen nach Hause zu bekommen.«
Tate brummte und schob den Bericht zurück. »Sie bekommen ihr Geld, bevor Sie gehen.«
»Und mein Honorar als Testamentsvollstrecker?«
»Das liegt in den Händen des Nachlaßgerichts. Wann kann ich mit der Lieferung rechnen?«
»Heute abend. Aber sehr spät. Wahrscheinlich nach Mitternacht. Vorher muß ich Morpheus bei etwas helfen.« Morpheus’ Vorhaben war in dem ganzen Gerede verlorengegangen.
»Also gut. Ich denke, das wird genügen.« Dann verriet er mir, wieso er so verständnisvoll war. »Hätten Sie Interesse, einen weiteren Job zu übernehmen? Nachdem Sie sich von diesem erholt haben?«
Ich hob eine Augenbraue an.
»Sie wissen, daß Armeestiefel den Großteil unseres Geschäfts ausmachen. Der teuerste Teil eines Stiefels ist Sohlenleder. Die Armeevorschriften verlangen Donnerechsenhaut für die Sohlen. Wir haben unsere eigenen Vertragsjäger und Gerber. Alles vertrauenswürdige Männer, dachte ich. Aber in letzter Zeit bleiben einige Ladungen aus.«
Ich merkte, worauf er hinaus wollte, und blendete ihn aus. Ich war verrückt genug gewesen, in den Cantard zu gehen, aber niemals werde ich zu diesen durchgeknallten Irren gehören, die sich ins Land der Donnerechsen wagen. Außerdem hatte ich mir selbst versprochen, TunFaire nie mehr zu verlassen, und ich breche meine Versprechen mir selbst gegenüber nur nach eigener vorheriger Genehmigung.
Ich ließ ihn reden. Als er fertig war, sagte ich, ich würde drüber nachdenken, und verschwand schnell mit meinem Spesengeld, wohlwissend, daß ich laut »nein!« kreischen würde, sobald ich mein Honorar als Testamentsvollstrecker in Händen hielt.
56. Kapitel
Morpheus hatte sein Treffen an einem bewaldeten Flußufer an der Grenze zwischen der realen Welt und der Oberstadt der Grafen und Barone und Sturmwächter und sonstwem angesetzt. Dieser Ort wurde oft für solche Gelegenheiten benutzt. Jeder Aufruhr, wie er bei Verrat entstehen konnte, würde eine ganze Armee von Wachleuten aus der Oberstadt auf den Plan rufen.
Im Laufe der Jahre waren die Etiketten der »Flußufertreffen« festgelegt worden. Als Antragsteller durfte Morpheus den Zeitpunkt des Treffens und die Größe der beiden Gruppen festlegen. Er entschied sich für die Stunde nach Sonnenuntergang und je vier Leute. Wir brauchten vier Männer, um Valentines Sarg zu schleppen. Dojango, Eierkopf und ich würden ihm beistehen.
Der Oberboß, wenn er darauf einging, konnte sich aussuchen, welches Ende des Flußufers seines war, und der durfte früher kommen, wenn er wollte, um die Gegend nach einem Hinterhalt abzusuchen. Morpheus war das verboten.
Der Oberboß willigte ein. Eine Stunde nach Sonnenuntergang half ich, den Sarg bergauf zu schleppen, in eine Situation hinein, die mir für keine der beiden Hauptpersonen besonders erstrebenswert zu sein schien. Seinem Ruf nach stand der Oberboß zu seinem Wort. Wenn er Morpheus ein Versprechen gegeben hatte, würde er es halten. Ich konnte nicht verstehen, wieso er diesem Treffen zugestimmt hatte … es sei denn, sein Haß auf Valentin hätte seinen gesunden Menschenverstand vertrieben.
Morpheus Ahrm war hart, verschlagen und unabhängig, bekannt für seine Geldnöte, und TunFaire hatte ein Dutzend Männer aufzuweisen, die bereit waren, große Summen für das Leben des Oberbosses zu zahlen.
Wir stiegen auf, Morpheus und Dojango vorn, Eierkopf und ich hinten, damit wir größeren Jungs das meiste Gewicht trugen. Vorsichtig stellten wir den Sarg ab. Morpheus blieb daneben stehen. Wir anderen traten zehn Schritte zurück und hielten die Hände so, daß man sie sehen konnte.
Nach einer Weile trat ein Schatten aus den Pappeln gegenüber und kam zu Morpheus. »Er ist in der Kiste?«
»Ja.«
»Aufmachen.«
Morpheus hob den Deckel am Fußende.
»Sieht so aus, als könnte er es sein. Schwer zu sagen bei dem Licht.«
Morpheus knallte den Deckel zu.
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