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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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etwas – Mom und Dad hatten ja auch genug um die Ohren –, aber ich machte in der Nacht kein Auge zu. Hellwach saß ich mit unserem größten Messer in der Hand in unserer Küche für den Fall, dass jemand einbrechen würde. Die Angst hielt mich wach, und ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn der Rest meiner Familie nicht mehr nach Hause käme.
    Aber das passierte nicht. Im Gegenteil: Nicht nur du kamst wieder nach Hause, sondern auch Mom und Dad – und sie zogen keine Show für dich ab, sie waren wirklich wieder zusammen. Sie wachten abwechselnd über dich und beendeten jeweils die Sätze des anderen. Es war, als hätte ich tatsächlich diesen Märchenspiegel durchbrochen und wäre in einem Alternativuniversum gelandet. Teils glaubte ich, dein letzter Knochenbruch habe sie wieder zusammengebracht, und sollte das wahr sein, dann war das jeden Schmerz wert. Und teils glaubte ich, dass ich halluzinierte und diese glückliche Familie nur eine Fata Morgana war.
    Ich glaubte eigentlich nicht an Gott, aber ich wollte auch nichts unversucht lassen, und so handelte ich im Stillen etwas mit ihm aus: Wenn er uns wieder eine Familie sein ließ, würde ich mich nicht beschweren. Ich werde nicht mehr gemein zu meiner Schwester sein. Ich werde mich nicht mehr zum Erbrechen bringen. Ich werde mich nicht mehr schneiden. Ehrenwort.
    Du warst offenbar nicht ganz so optimistisch. Mom sagte, dass du die ganze Zeit weintest und nichts essen wolltest, liege daran, dass du gerade erst eine Operation hinter dir hattest. Angeblich machten die Betäubungsmittel dich weinerlich, aber ich beschloss, es zu meiner persönlichen Mission zu machen, dich aufzuheitern. »Hey, Wiki«, sagte ich, »möchtest du ein paar M&M ? Die sind aus meinem Osternest.«
    Du hast den Kopf geschüttelt.
    »Möchtest du meinen iPod benutzen?«
    »Ich möchte keine Musik hören«, hast du gemurmelt. »Du musst nicht nett zu mir sein, nur weil ich nicht mehr lange hier sein werde.«
    Das jagte mir einen Schauder über den Rücken. Hatte man mir irgendwas in Bezug auf die Operation verschwiegen? Lagst du im … im Sterben ? »Wovon redest du da?«
    »Mom will mich loswerden, weil solche Sachen ständig passieren.« Du hast dir die Tränen aus den Augen gewischt. »Ein Kind wie mich will niemand.«
    »Wovon redest du da?«, sagte ich noch einmal. »Es ist ja nicht so, als wärst du ein Serienkiller. Du quälst keine Eichhörnchen oder machst sonst was Ekeliges … außer dass du ›God Bless America‹ am Mittagstisch rülpst.«
    »Das habe ich nur ein einziges Mal gemacht«, hast du gesagt. »Aber denk doch mal nach, Amelia: Niemand behält Dinge, die ständig kaputtgehen. Früher oder später werden sie weggeworfen.«
    »Willow, du wirst nicht weggeschickt, glaub mir. Und falls doch, dann laufe ich vorher mit dir weg.«
    Du hast gehickst und deinen kleinen Finger gehoben. »Fest versprochen, nicht gebrochen?«
    Ich hakte mich in deinem Finger ein und zog. »Fest versprochen, nicht gebrochen.«
    »Ich kann nicht mehr ins Flugzeug«, hast du ernst gesagt, als würden wir unsere Flucht bereits planen müssen. »Der Arzt hat gesagt, ich würde sämtliche Metalldetektoren am Flughafen auslösen. Er hat Mom einen Zettel mitgegeben. Da steht das drauf.«
    Einen Zettel, den ich vermutlich vergessen würde, so wie damals vor unserem Urlaub in Disney World.
    »Amelia«, hast du gefragt, »wo würden wir denn hinlaufen?«
    Weg , dachte ich sofort, aber mehr wusste ich in dem Moment auch nicht.
    Vielleicht nach Budapest. Ich wusste zwar nicht genau, wo Budapest lag, aber mir gefiel die Art, wie das Wort auf meiner Zunge explodierte. Oder nach Shanghai. Oder auf die Galapagos­inseln oder die Isle of Skye. Du und ich, wir konnten zusammen durch die Welt ziehen und unsere ganz eigene schwesterliche Freakshow aufziehen: das Mädchen, das zerbricht, und das Mädchen, das sich ständig übergeben muss.
    »Willow«, sagte meine Mutter, »ich glaube, wir müssen miteinander reden.« Sie hatte in der Tür gestanden und uns beobachtet. Ich fragte mich, für wie lange. »Amelia, lässt du uns mal eine Minute allein?«
    »Okay«, sagte ich und schlüpfte hinaus. Aber anstatt hinunterzugehen, was sie eigentlich gemeint hatte, blieb ich im Flur, wo ich alles mitbekam.
    »Willow«, hörte ich meine Mutter sagen, »niemand will dich wegwerfen.«
    »Es tut mir leid wegen meinem Bein«, hast du unter Tränen gesagt. »Ich dachte, wenn ich mir für längere Zeit nichts breche,

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