Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
dieser orchestrierten Schlacht zuzuschauen: Vorstoß, Rückzug, Finte. Und deine Mutter, erkannte ich, war verdammt gut darin.
Ein paar Minuten später kehrte der Assistenzarzt zurück. »Dr. Yaeger kann einen Nachtflug nehmen und wird dann morgen früh um zehn für die Operation hier sein«, sagte er. »Das ist das Beste, was wir tun können.«
»Sie kann doch nicht über Nacht so bleiben«, sagte ich.
»Wir können ihr Morphium verabreichen.«
Sie verlegten dich auf die Kinderstation, wo die Wandbilder von Luftballons und Zirkustieren in krassem Gegensatz zu den Gesichtern schreiender Babys und zutiefst bestürzter Eltern standen. Charlotte gab auf dich acht, als die Krankenpfleger dich von der Trage und aufs Bett hoben. Nur als dein Bein bewegt wurde, hast du kurz geschrien, dafür aber umso lauter. Dann gab der Arzt der Stationsschwester ein paar Anweisungen (Infusion rechts, weil du Linkshänder warst), und das Morphium wurde angelegt.
Es brachte mich förmlich um, dich so leiden zu sehen. »Du hast recht gehabt«, sagte ich zu Charlotte. »Du hast sie nageln lassen wollen, und ich habe Nein gesagt.«
Charlotte schüttelte den Kopf. »Nein, du hast recht gehabt. Sie brauchte Zeit, um wieder Kraft zu bekommen, sonst wäre das hier vielleicht schon früher passiert.«
Bei diesen Worten fingst du an, zu wimmern und dich an Bauch und Armen zu kratzen.
»Was ist los?«, fragte Charlotte.
»Die Käfer«, hast du geantwortet. »Sie sind überall.«
»Schatz, da sind keine Käfer«, sagte ich und schaute dir zu, wie du dir die Haut aufgekratzt hast.
»Aber es juckt …«
»Wir wäre es mit einem Spiel?«, schlug Charlotte vor. »Teekesselchen?« Sie griff nach deiner Hand und zog sie zur Seite. »Möchtest du das Wort aussuchen?«
Sie versuchte, dich abzulenken, und es funktionierte. Du hast genickt.
»Kann dein Teekesselchen unter Wasser atmen?«, fragte Charlotte, und du hast den Kopf geschüttelt. »Ist dein Teekesselchen wach, wenn du schläfst?«
»Nein«, hast du gesagt.
Charlotte schaute mich an und nickte. »Hm, kann man dein Teekesselchen mit einem Freund machen?«, fragte ich.
Du hast fast gelächelt. »Niemals«, hast du gesagt, und deine Augen schlossen sich langsam.
»Gott sei Dank«, sagte ich. »Vielleicht wird sie jetzt durchschlafen.«
Aber als hätte uns jemand verflucht, bist du plötzlich hochgeschreckt. Du hast am ganzen Leib heftig gezittert und bist aus dem Bett gerutscht. Sofort hast du geschrien.
Wir hatten es gerade geschafft, dich wieder zu beruhigen, als das Gleiche noch einmal passierte: Kaum warst du eingeschlafen, bist du zusammengefahren, als würdest du von einer Klippe fallen. Charlotte drückte den Rufknopf neben dem Bett.
»Sie schreckt beim Einschlafen immer wieder hoch«, erklärte Charlotte.
»Auf manche Leute hat Morphium diese Wirkung«, sagte die Krankenschwester. »Das Beste, was Sie tun können, ist, sie still zu halten.«
»Können wir sie nicht aus dem Bett nehmen?«
»Wenn Sie das tun, wird sie noch mehr um sich schlagen«, erklärte die Krankenschwester.
Als sie den Raum verließ, bist du wieder zusammengezuckt und hast ein lang gezogenes, tiefes Stöhnen ausgestoßen. »Hilf mir«, sagte Charlotte. Sie kroch auf das Bett und drückte deinen Oberkörper herunter.
»Du erdrückst mich, Mom …«
»Ich helfe dir nur, still liegen zu bleiben«, sagte Charlotte ruhig.
Ich folgte ihrem Beispiel und legte mich sacht über deinen Unterkörper. Du hast gewimmert, als ich an dein gebrochenes Bein kam. Charlotte und ich warteten. Wir zählten die Sekunden. Ich hatte einmal gesehen, wie ein Gebäude gesprengt wurde. Die Fassade war mit einem Netz aus alten Autoreifen und Gummibändern gesichert gewesen, um die Explosion zu begrenzen. Beim nächsten Zusammenzucken hast du nicht mehr geschrien.
Woher hatte Charlotte gewusst, dass man das so machen musste? Weil sie unzählige Male bei dir gewesen war, wenn du dir was gebrochen hattest? Weil sie gelernt hatte, in einem Krankenhaus aktiv zu sein, anstatt alles hinzunehmen? Oder weil sie dich viel besser kannte als ich?
»Amelia«, sagte ich, als mir einfiel, dass sie schon seit Stunden allein zu Hause war.
»Wir müssen sie anrufen.«
»Vielleicht kann ich sie ja herholen …«
Charlotte drehte den Kopf, sodass ihre Wange wie ein Kissen auf deinem Bauch lag. »Sag ihr, sie soll im Notfall Mrs. Moore von nebenan anrufen. Du musst hierbleiben. Nur zu zweit können wir Willow die ganze Nacht ruhig
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