Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
inzwischen vierten Versicherungsmitarbeiter, mit dem ich an diesem Tag sprach. »Sie sind der Meinung, dass ich den Krankenwagen nicht hätte nehmen müssen, und deshalb wollen Sie die Kosten nicht übernehmen.«
»Das ist korrekt, Ma’am.«
Du hast, von Kissen gestützt, auf der Couch gelegen und mit einem Textmarker Streifen auf deinen Gips gemalt. »Und was hätte ich Ihrer Meinung nach sonst tun sollen?«, fragte ich.
»Das ist doch offensichtlich. Sie hätten die Patientin im Krankenhaus belassen können.«
»Ihnen ist aber durchaus klar, dass sie den Gips monatelang wird tragen müssen, oder? Hätte ich meine Tochter etwa so lange im Krankenhaus lassen sollen?«
»Nein, Ma’am. Nur so lange, bis eine geeignete Transportmöglichkeit gefunden worden wäre.«
»Aber das einzige Transportmittel, das das Krankenhaus gestattet hat, war ein Krankenwagen!«, entgegnete ich. Inzwischen sah dein Bein wie eine Zuckerstange aus. »Hätte unsere Police denn den verlängerten Krankenhausaufenthalt abgedeckt?«
»Nein, Ma’am. Die Maximalzahl an Krankenhaustagen für derartige Verletzungen ist …«
»Jajaja, das hatten wir schon.« Ich seufzte.
»Mir scheint«, sagte der Versicherungsmensch gereizt, »dass Sie angesichts der Alternativen – verlängerter Krankenhausaufenthalt oder ungenehmigte Krankenwagenfahrt – eigentlich gar keinen Grund haben, sich zu beschweren.«
Ich spürte, wie mir die Zornesröte in die Wangen stieg. »Und mir scheint, dass Sie ein gewaltiges Arschloch sind!«, brüllte ich und knallte den Hörer auf. Dann drehte ich mich um und sah dich. Der Textmarker in deiner Hand hing gefährlich nah an den Couchbezügen. Du warst verdreht wie eine Brezel. Deine untere, eingegipste Hälfte zeigte nach vorne, während du Kopf und Schultern nach hinten gedreht hattest, um aus dem Fenster schauen zu können.
»Fluchdöschen«, hast du gemurmelt. Du hattest eine alte Konservendose mit Geschenkpapier umwickelt, und jedes Mal, wenn Sean in deiner Gegenwart geflucht hat, hast du einen Vierteldollar kassiert. Allein diesen Monat hattest du damit zweiundvierzig Dollar eingenommen – auch den ganzen Weg von Florida hierher hattest du fleißig mitgezählt. Ich holte einen Vierteldollar aus der Tasche und warf ihn in die Dose auf dem Tisch, aber du hast mir nicht zugeschaut. Deine Aufmerksamkeit war nach draußen gerichtet, auf den gefrorenen Teich, wo Amelia Schlittschuh lief.
Deine Schwester lief schon Schlittschuh seit … nun, seit sie in deinem Alter war. Sie und Pipers Tochter Emma nahmen zweimal die Woche Unterricht, und du hast dir nichts sehnlicher gewünscht, als es deiner Schwester gleichzutun. Nur leider war daran gar nicht zu denken. Du hast dir einmal den Arm gebrochen, als du in der Küche auf Socken Eislaufen gespielt hast.
»Bei all den schlimmen Ausdrücken, die dein Dad und ich so von uns geben, hast du bald genug Bargeld, um dir ein Flugticket zu kaufen und von hier abzuhauen«, scherzte ich, um dich abzulenken. »Und? Wohin willst du? Las Vegas?«
Du hast dich vom Fenster abgewandt und mich angeschaut. »Das wäre dumm«, hast du gesagt. »Um Blackjack zu spielen, muss ich einundzwanzig sein.«
Sean hatte es dir beigebracht, ebenso wie Hearts, Texas Hold’em und Five Card Stud. Zuerst war ich entsetzt gewesen, bis mir klar geworden war, dass es schon unter Folter fiel, fünf Stunden am Stück Go Fish spielen zu müssen. »Dann in die Karibik?«
Ich redete, als würdest du irgendwann ungehindert reisen können, und das angesichts des letzten Urlaubs, den du vermutlich nie vergessen würdest. »Ich habe daran gedacht, was zu lesen zu kaufen«, hast du gesagt. »Zum Beispiel Dr. Seuss.«
Du hast auf einem Niveau wie Sechstklässler gelesen, während Gleichaltrige sich noch mit dem Alphabet abmühten. Das war einer der wenigen Vorteile deiner Krankheit: Wenn du viel still liegen musstest, hast du dich auf Bücher und das Internet konzentriert. Amelia nannte dich sogar Wikipedia, wenn sie dich ärgern wollte. »Dr. Seuss?«, sagte ich. »Wirklich?«
»Die Bücher sind nicht für mich. Ich dachte, wir könnten sie dem Krankenhaus in Florida schicken. Dort gab es nur Wo ist Spot? zu lesen, und das wird nach dem fünften, sechsten Mal wirklich langweilig.«
Das verschlug mir die Sprache. Ich wollte dieses dämliche Krankenhaus und alles, was damit verbunden war, einfach nur vergessen … und da warst du, von Selbstmitleid keine Spur. Du hast nicht jede Gelegenheit genutzt,
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