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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Zoll für Zoll vorwärtskamst. »Sieh dich nur mal an«, sagte ich, während du voller Eifer gepaddelt hast. »Sieh dich nur mal an.«
    »Sean«, sagte Charlotte am Abend desselben Tages, als ich schon glaubte, sie sei eingeschlafen, »Marin Gates hat heute angerufen.«
    Ich lag auf der Seite und starrte die Wand an. Ich wusste, warum die Anwältin Charlotte angerufen hatte: weil ich ihre sechs Nachrichten auf meinem Handy nicht beantwortet hatte. Sie wollte wissen, ob ich die Papiere schon unterschrieben hatte, die die Klage einleiten sollten, oder ob sie vielleicht auf dem Postweg verloren gegangen waren.
    Ich wusste genau, wo diese Papiere waren: im Handschuhfach meines Autos, seit einem Monat. Da hatte ich sie reingestopft, nachdem Charlotte sie mir gegeben hatte. »Wenn ich Zeit habe, kümmere ich mich darum«, sagte ich.
    Sie legte die Hand auf meine Schulter. »Sean …«
    Ich drehte mich auf den Rücken. »Erinnerst du dich an Ed Gatwick?«, fragte ich.
    »Ed?«
    »Ja. Der Kerl, mit dem ich auf der Akademie gewesen bin. Er hat in Nashua gearbeitet. Vergangene Woche hat ein Anwohner verdächtige Aktivitäten bei seinen Nachbarn gemeldet. Ed sagte seinem Partner, er habe ein schlechtes Gefühl; trotzdem ist er reingegangen, und genau in dem Augenblick ist das Drogenlabor in der Küche in die Luft geflogen – Ed mitten ins Gesicht.«
    »Wie schrecklich …«
    »Was ich damit sagen will«, unterbrach ich sie, »ist Folgendes: Du solltest immer auf deinen Bauch hören.«
    »Das tue ich«, erwiderte Charlotte, »und das habe ich auch getan. Du hast gehört, was Marin gesagt hat. Die meisten dieser Fälle werden außergerichtlich geregelt. Es geht um das Geld – Geld, das wir gut für Willow verwenden können.«
    »Ja, und Piper wird dafür zum Opferlamm.«
    Leise sagte Charlotte: »Gegen solche Klagen ist sie versichert.«
    »Aber sie ist nicht dagegen versichert, von ihrer besten Freundin den Dolch in den Rücken zu bekommen.«
    Charlotte schlang die Decke um sich und setzte sich auf. »Wenn es um ihre Tochter ginge, würde sie das auch tun.«
    Ich starrte sie an. »Das glaube ich nicht. Ich glaube, die meisten Leute würden das nicht tun.«
    »Mir ist egal, was andere Leute denken. Nur Willows Meinung zählt«, sagte Charlotte.
    Und genau das, erkannte ich, war der Grund, warum ich die verdammten Papiere nicht unterschrieben hatte. Wie Charlotte dachte ich auch nur an dich. Ich dachte an den Augenblick, da du erkennen würdest, dass ich nicht der Ritter in strahlender Rüstung war. Ich wusste, dass das irgendwann passieren würde – das machte das Erwachsenwerden aus. Aber ich wollte es nicht beschleunigen. Ich wollte dein Held sein, solange ich es schaffte.
    »Wenn Willows Meinung die einzige ist, die zählt«, sagte ich, »wie willst du ihr dann erklären, was du tust? Ich meine, du willst im Zeugenstand lügen, sagen, dass du sie abgetrieben hättest. Dir mag ja klar sein, dass es eine Lüge ist, aber für Willow könnte das durchaus wahr klingen.«
    Charlotte traten die Tränen in die Augen. »Sie ist klug. Sie wird verstehen, dass es egal ist, wie es nach außen hin aussieht. Tief in ihrem Herzen wird sie wissen, dass ich sie liebe.«
    Das war die böse Falle bei dem ganzen Spiel. Meine Weigerung, die Papiere zu unterschreiben, bewirkte nicht zwangsläufig, dass der Prozess nicht stattfand. Charlotte würde ihn auch ohne mich durchziehen. Und dann würde der Riss zwischen mir und Charlotte auch dich verletzen. Aber was, wenn Charlottes Sichtweise sich bewahrheitete? Wenn das erstrittene Geld all die Lügen wirklich rechtfertigte? Wenn es dir endlich die Art von Hilfe und Therapie ermöglichte, die unsere Versicherung nicht bezahlte?
    Aber wenn ich wirklich nur das Beste für dich wollte, wie könnte ich dann diese Papiere unterschreiben?
    Oder: Wie könnte ich sie nicht unterschreiben?
    Plötzlich wollte ich Charlotte zeigen, wie sehr ich innerlich zerrissen war. Ich wollte, dass ihr genauso übel wurde wie mir, wenn ich das Handschuhfach öffnete und diesen Umschlag sah. Das war wie die Büchse der Pandora. Charlotte hatte sie geöffnet, und herausgekommen war die Lösung für ein Problem, das wir für unlösbar gehalten hatten. Das ließ sich nicht mehr rückgängig machen, ließ sich nicht aus unserem Bewusstsein streichen.
    Wenn ich ehrlich bin, wollte ich sie wohl einfach nur dafür bestrafen, dass sie mich in diese Situation gebracht hatte, in der es kein Schwarz-Weiß mehr gab, sondern nur

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