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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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schon wieder aus einem Paar Schuhe herausgewachsen, ohne sie je angezogen zu haben. Normalerweise war es immer nur ein Schuh, der nie benutzt wurde – ein Fuß steckte im Schuh, der andere im Gips –, doch diesmal betraf es dank des Spreizgipses beide Füße. Den Frühling über hattest du eine ganze Größe zugelegt, und die Sohlen der Schuhe hatten noch nicht einmal einen Kratzer abbekommen. Nun – sechs Monate später, da du quasi wieder laufen lerntest – hatte meine Mutter eine Woche gebraucht, um herauszufinden, warum du dich bei jedem Gang zur Toilette vor Schmerzen steif machtest. Das hatte nicht etwa mit Schmerzen in den Beinen zu tun, sondern lag an den viel zu engen Schuhen.
    Zu meiner Überraschung wollte meine Mutter zunächst jedoch nicht mitgehen. Sie war in einer wirklich seltsamen Stimmung. Sie flippte beinahe aus, als ich plötzlich hinter ihr stand, während sie Kaffee trank und irgendeine Juristenzeitschrift las, in der lauter Ausdrücke wie IN BETREFF oder IN DUBIO standen. Und als Piper anrief und ich Mom das Telefon gab, ließ sie es zweimal fallen. »Ich kann nicht«, hörte ich sie zu Piper sagen. »Ich habe etwas Wichtiges zu erledigen.«
    »Bitte, Mom«, jammerte ich und hüpfte vor ihr herum. »Ich verspreche dir auch, ich werde noch nicht einmal einen Kaugummi von Piper annehmen. Nicht wie das letzte Mal.«
    Was ich gesagt habe, muss irgendeine Saite in ihr angeschlagen haben, denn sie schaute auf die Zeitschrift und dann zu mir. »Das letzte Mal …«, wiederholte sie gedankenverloren, und bevor ich mich versah, waren wir auf dem Weg nach Concord zum Shoppen. Meine Mutter stand wohl immer noch ein wenig neben sich, doch ich achtete nicht mehr darauf. Pipers Van war mit einem DVD -Player ausgestattet, und du, Emma und ich hatten uns Kopfhörer aufgesetzt und schauten uns 30 über Nacht an, den besten Film aller Zeiten. Ich hatte ihn zuletzt bei uns daheim gesehen, und Piper hatte Jennifer Garners »Thriller«-Tanz vom Anfang bis zum Ende mitgetanzt, was Emma zu der Erklärung veranlasste, sie möchte vor Scham im Erdboden versinken. Ich hingegen fand es ziemlich cool, dass Piper sich die ganzen Schritte merken konnte.
    Zwei Stunden später liefen Emma und ich durch die Jugendabteilung. Da gab es zwar hauptsächlich Klamotten im Schlampenstil, wo der Ausschnitt bis zum Bauchnabel reicht und die Hosen so tief angesetzt sind, dass sie auch als Overknees durchgehen konnten, doch es war immerhin aufregender als die Kinderabteilung. Auf der anderen Seite der Galerie schob Piper dich in deinem Rollstuhl und navigierte um Treppen, Eingänge und dergleichen herum, die definitiv nicht für Behinderte konzipiert waren. Meine Mutter wiederum – deren Stimmung noch tiefer in den Keller gesunken war – hockte sich immer wieder vor dich, um dir Schuhe anzuprobieren. »Hast du gewusst, dass man diese Plastikdinger am Ende eines Schnürsenkels Benadelung nennt?«, hast du gefragt.
    »Ja, das habe ich tatsächlich gewusst«, antwortete sie gereizt, »das hast du mir nämlich schon beim letzten Mal erzählt.«
    Ich beobachtete, wie Emma sich auf die Zehenspitzen stellte und eine Bluse von einer Stange nahm, die – wie Mom sich ausdrücken würde – der ganzen Welt zeigte, was man zu bieten hatte. »Emma!«, sagte ich. »Das soll wohl ein Witz sein!«
    »Das trägt man mit einem Mieder«, meinte sie, und ich tat so, als wüsste ich das schon lange. Die Wahrheit war, dass Emma das gut tragen konnte und damit wie sechzehn aussah, denn sie hatte bereits einen Busen und war so groß und schlank wie ihre Mutter. Ich trug keine Mieder. Es war einfach zu frustrierend, wenn mein Bauchspeck weiter herausragte als meine Titten.
    Ich schob die Hand in die Tasche meiner Sweatshirtjacke. Seit einer Woche hatte ich darin einen Plastikbeutel. Denn inzwischen hatte ich mich schon zweimal an einem Ort übergeben, der kein Badezimmer war: einmal hinter der Schulturnhalle und einmal bei Emma zu Hause in der Küche, als sie oben nach einer CD suchte. Ich machte das immer, wenn ich an den Punkt kam, wo ich an nichts anderes mehr denken konnte – Würde ich erwischt werden? Würde der Schmerz dann aufhören?  –, sodass es nur eine Möglichkeit gab, das Verlangen abzutöten, nämlich ihm nachzugeben. Im Nachhinein hasste ich mich immer, weil ich nicht standhaft geblieben war.
    »Das würde dir gut stehen«, meinte Emma und hielt eine Jogginghose hoch, die einem Elefanten gepasst hätte.
    »Ich mag kein

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