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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Gelb«, erwiderte ich und ging weiter.
    Piper und meine Mutter waren gerade im Gespräch vertieft. Na ja, das war nicht ganz korrekt. Piper war in ein Gespräch vertieft, und meine Mutter befand sich rein körperlich in der Nähe. In Gedanken war sie vollkommen woanders. Zwar nickte sie immer an den richtigen Stellen, aber sie hörte nicht zu. Sie glaubte, sie könnte den Leuten etwas vormachen, doch eine gute Schauspielerin war sie nicht. Nehmen wir dich zum Beispiel. Wie oft hat sie sich mit Dad gestritten, ob sie sich nun einen Anwalt nehmen sollten oder nicht, während du im Nebenzimmer warst? Und wenn du dann gefragt hast, warum sie sich streiten, hat sie immer geantwortet, sie stritten doch gar nicht. Glaubte sie wirklich, dass du komplett in die Sesamstraße vertieft warst und nicht jedes Wort mitbekamst?
    Ich wünschte, sie würde mal zuhören. Ich wünschte, sie würde hören, was du mich abends im Bett vor dem Einschlafen fragst. Amelia, werden wir alle für immer hier leben? Amelia, hilfst du mir beim Zähneputzen, damit ich Mom nicht darum bitten muss? Amelia, können Eltern dich wieder dahin zurückschicken, wo du hergekommen bist?
    War es da ein Wunder, dass ich mich selbst anwiderte, wenn ich in den Spiegel sah? Meine Mutter ging zu einem Anwalt, um wegen einer Tochter zu klagen, die nicht perfekt war.
    »Wo ist Emma?«, fragte Piper.
    »In der Jugendabteilung. Sie sucht sich ein Oberteil aus.«
    »Ein ordentliches oder so ein enges Ding, wie man es immer in der Pornowerbung sieht?«, fragte Piper. »Teilweise muss die Kleidung für Jugendliche deines Alters doch illegal sein.«
    Ich lachte. »Emma kann sich ja einen Anwalt nehmen. Wir kennen da einen guten.«
    »Amelia!«, schrie meine Mutter. »Schau, was ich deinetwegen angerichtet habe!« Aber das sagte sie, bevor sie den Ständer mit Blusen umstieß.
    »Oh, Mist«, sagte Piper und machte sich sofort ans Aufräumen. Über ihren Kopf hinweg schoss mir meine Mutter einen wütenden Blick zu.
    Wieso eigentlich? Ich schlüpfte durch den Wald von Kleiderständern und strich mit gespreizten Händen an den Hosenbeinen und Ärmeln entlang. Als ich wieder an Emma vorbeikam, duckte ich mich weg. Was hatte ich denn falsch gemacht?
    Aber andererseits … Was machte ich nicht falsch?
    Es schien fast, als wäre Mom wütend auf mich, weil ich vor Piper den Anwalt erwähnt hatte. Aber Piper war ihre beste Freundin. Diese Anwaltssache war das Thema in unserer Familie, doch jeder tat so, als sei das nicht wahr. Und Piper? Die musste doch eigentlich Bescheid wissen, oder?
    Es sei denn … Es sei denn natürlich, Mom hatte absichtlich nichts davon gesagt.
    War das der Grund, warum sie mit Piper nicht hatte shoppen gehen wollen? Und warum wir in letzter Zeit nicht mehr bei Piper reinschneiten, wenn wir in der Nähe waren? Als meine Mutter von »Schäden« gesprochen hatte und von dem Geld, mit dem sie endlich vernünftig für dich sorgen könnten, hatte ich mir nicht so richtig klargemacht, wen wir verklagen würden.
    Wenn es der Arzt sein sollte, der sie während der Schwangerschaft betreut hatte … nun, das war Piper.
    Plötzlich war ich nicht mehr die einzige Enttäuschung im Leben meiner Mutter; aber anstatt dass mich das erleichterte, ging es mir ultramies.
    Ich stand auf und irrte blind um ein paar Ecken, bis ich schließlich in der Unterwäscheabteilung angelangt war. Ich weinte, und ausgerechnet die einzige Target-Mitarbeitern, die nicht an der Kasse beschäftigt war, stand plötzlich vor mir. »Liebes?«, fragte sie. »Alles in Ordnung mit dir? Hast du dich verlaufen?«
    Als wäre ich fünf Jahre alt und hätte meine Mutter verloren – was, genau genommen, gar nicht mal so falsch war.
    »Es geht mir gut«, sagte ich und senkte den Kopf. »Danke.« Ich drängte mich an ihr vorbei und durch die Ständer mit den BH s. Einer davon verfing sich an meinem Ärmel. Er war pink und aus Seide und braun gepunktet, genau von der Art, wie Emma ihn tragen würde.
    Doch anstatt ihn wieder aufzuhängen, stopfte ich ihn in die Tasche zu meinen kleinen Plastikbeuteln. Ich schlang meine Finger darum und schaute mich um, ob ein Angestellter mich vielleicht beobachtet hatte. Die Seide fühlte sich kalt an. Ich hätte schwören können, dass sie pulsierte. Ein heimliches Eigenleben.
    »Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«, fragte die Frau erneut.
    »Ja«, erwiderte ich. Die Lüge kam mir leicht über die Lippen, und das führte mir vor Augen, dass ich mich ja vielleicht

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