Zerfetzte Flaggen
und sah nach, wie spät es war. Bolitho fragte ruhig: »Der Nebel, Mr. Bunce – wird er kommen?
«
Thorndike, der Schiffsarzt, hörte es und lachte schallend.
»Wirklich, Erasmus! Nebel, bei diesem Wind!«
Bunce ignorierte ihn. »Morgen. Wir müssen beidrehen, hier ist’s zu tief zum Ankern.« Er schüttelte sein mächtiges Haupt. »Zeit verloren, nicht wieder einzuholen.«
Er hatte genug gesprochen und erhob sich. Als er an Probyns Stuhl vorbeikam, sagte er mit seiner tiefen Stimme: »Dann werden wir Zeit haben und sehen, wer nervös wird.«
Probyn schnippte mit den Fingern nach mehr Wein und rief ärgerlich: »Er wird auf seine alten Tage wunderlich!« Er lachte laut, aber niemand stimmte ein.
Hauptmann d’Esterre musterte Probyn kalt. »Wenigstens scheint er den Herrn auf seiner Seite zu haben. Was haben Sie vorzuweisen?
«
In seinem Salon darüber saß Kapitän Pears an der großen Tafel, eine Serviette in sein Halstuch gesteckt. Er hörte den Ausbruch des Gelächters aus der Messe und sagte zu Cairns: »Sie sind fröhlicher auf See, nicht?«
Cairns nickte. »Scheint so, Sir.« Er beobachtete Pears gebeugten Kopf und wartete auf dessen Schlußfolgerungen oder Gedanken.
Dieser sagte: »Allein oder im Verband, der Schoner ist eine Bedrohung für uns. Wenn wir doch wenigstens als Sicherung eine Brigg oder ein Kanonenboot hätten, um uns diese Wölfe vom Hals zu halten. So wie es jetzt ist.«. Er hob die Schultern.
»Darf ich einen Vorschlag machen, Sir?«
Pears schnitt sich ein kleines Stück Käse ab und betrachtete es zweifelnd.
»Deswegen sind Sie ja wohl zu mir gekommen.« Er lächelte.
»Schießen Sie los.«
Cairns legte die Hände auf den Rücken, seine Augen glänzten sehr hell.
»Sie haben des Masters Meinung über die Aussicht auf Nebel gehört, Sir?«
Pears nickte. »Ich kenne diese Gewässer auch. Nebel ist hier häufig genug, obwohl ich es nicht wagen würde, im Augenblick eine so bestimmte Voraussage zu machen.« Er schob den Käse beiseite.
»Aber wenn der Master so etwas sagt, trifft es gewöhnlich zu.«
»Wir werden also beigedreht liegen müssen, bis es wieder aufklart.
«
»Ich habe das schon in Betracht gezogen. Verdammter Mist!«
»Aber genau das wird auch unser Bewacher tun, einmal zu seiner eigenen Sicherheit, dann auch aus Angst, uns zu verlieren. Der Nebel könnte unter Umständen ein Bundesgenosse für uns sein.« Er zögerte, um des Kommandanten Reaktion zu ergründen. »Wenn wir ihn aufspüren und entern…« Er schwieg.
»Was, um Gottes willen, Mr. Cairns, schlagen Sie da vor? Daß ich Boote aussetzen, sie mit ausgebildeten Leuten bemannen und dann in diesen gottverdammten Nebel hinausschicken soll? Nein, Sir, sie würden in den sicheren Tod fahren!«
»Wahrscheinlich liegt da außer dem Schoner noch ein weiteres Fahrzeug.« Cairns sprach mit plötzlicher Dickköpfigkeit. »Sie werden also Lichter zeigen. Mit der nötigen Vorsicht und mit einem guten Bootskompaß müßte ein Angriff Aussicht auf Erfolg haben.« Er machte eine Pause, da er Zweifel in Pears Augen sah.
»Er brächte uns ein zusätzliches Schiff ein, wahrscheinlich auch Informationen über die Tätigkeit oder die Absichten der Kaperer.«
Pears lehnte sich zurück und starrte ihn grimmig an. »Sie sind ein Mann mit Ideen, das muß ich sagen.«
Cairns entgegnete: »Der Vierte Offizier hat mir diese Idee in den Kopf gesetzt, Sir.«
»Das hätte ich mir denken können.« Pears stand auf und trat an eins der Fenster; seine stämmige Figur bildete dabei einen Winkel zum Deck, der der Krängung des Schiffes entsprach. »Verdammtes Pack aus Cornwall! Alles Piraten und Strandräuber! Wußten Sie das nicht?«
Cairns Gesicht blieb unbewegt. »Meines Wissens war Falmouth, Mr. Bolithos Heimatort, die letzte Stadt, die für König Charles gegen Cromwell und das Parlament kämpfte, Sir.«
Pears lächelte grimmig. »Guter Einwand! Aber dieser Plan ist mehr als gefährlich. Wahrscheinlich finden wir die Boote nie wieder, oder sie können den Feind nicht erreichen, geschweige denn ihn kapern.«
Cairns beharrte auf seiner Version. »Der Nebel muß das andere Schiff lange vor uns erreichen. Ich würde vorschlagen, daß wir dann so nahe wie möglich auf schließen, und zwar mit jedem Fetzen Tuch, bevor es gänzlich abflaut.«
»Aber wenn der Wind gegen uns dreht?« Pears hob die Hand.
»Stopp, Mr. Cairns. Ich sehe die Enttäuschung in Ihrem Gesicht, aber es ist meine Verantwortung. Ich muß alle Möglichkeiten
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