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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Dort zog er sich nackt aus und frottierte sich die feuchten, kalten Gliedmaßen, bis er so etwas wie Wärme verspürte.
    Dann saß er auf dem Rand seiner schwankenden Koje und lauschte auf die Geräusche des großen Schiffes, das Ächzen beim Überholen, das Beben beim Aufprall eines Brechers, das anschließende Prasseln der über Deck peitschenden Gischt.
    Morgen um diese Zeit war er vielleicht auf dem Weg in sein Unheil, wenn nicht sogar schon tot. Er fröstelte und frottierte sich heftig die Bauchmuskeln, um die plötzlich aufkommende Verzagtheit zu überwinden.
    Aber wenigstens würde er etwas unternehmen, und das war besser als diese ewige Untätigkeit. Er zog sich ein sauberes Hemd über den Kopf und langte nach seiner Hose.
    Er war kaum damit fertig, als er schon das näherkommende Geschrei hörte: Alle Mann an Deck, Marssegel reffen!
    Er stand abrupt auf und stieß mit dem Kopf gegen einen Ringbolzen.
    Verdammt!
    Aber dann war er auf und eilte wieder in jene andere Welt des Windes und des Lärms, gehorsam den Forderungen der Trojan, die immer erfüllt werden mußten.
    Als er an Probyns unordentlicher Erscheinung vorbeilief, grinste der ihn an. »Nebel, wie?«
    Bolitho grinste zurück. »Geh zur Hölle!«
    Es dauerte zwei volle Stunden, bis das Reffen zu des Kommandanten Zufriedenheit ausgeführt und die Trojan für die Nacht klargemacht worden war. Die Nachricht über den beabsichtigten Angriff hatte sich im Schiff wie ein Lauffeuer verbreitet, und Bolitho hörte, wie überall Wetten abgeschlossen wurden: des Seemanns enger Spielraum zwischen Leben und Tod.
    Möglicherweise würde es überhaupt zu nichts kommen, wie schon so oft während dieses Einsatzes. Große Vorbereitungen, und dann die Enttäuschung.
    Bolitho wußte, daß es ein beinahe unmögliches Unterfangen war, das andere Schiff zu finden und zu kapern. Gleichzeitig wußte er aber auch, daß er sich betrogen vorkommen würde, falls es abgeblasen werden sollte.
    Er kehrte in die Messe zurück und stellte fest, daß die meisten Offiziere schon in die Koje gegangen waren – verständlich nach diesem stürmischen und arbeitsreichen Tag. Lediglich der Arzt und der Hauptmann d’Esterre spielten im Licht einer einzelnen Lampe Karten, während unter den überfluteten Heckfenstern Leutnant Quinn saß und auf den vibrierenden Ruderkopf starrte.
    Im schwankenden Lampenschein sah er noch jünger aus als sonst.
    Bolitho setzte sich neben ihn und schüttelte den Kopf, als Logan, der Messejunge, mit einem Weinkrug auftauchte.
    »Fühlst du dich nicht wohl, James?«
    Quinn blickte ihn überrascht an. »Doch, danke, Sir.«
    Bolitho lächelte. »Richard oder Dick, wenn dir das lieber ist.« Er beobachtete des anderen Verzweiflung. »Dies ist nicht das Fähnrichslogis, wie du weißt.«
    Quinn warf einen raschen Blick auf die Kartenspieler, auf den wachsenden Stapel von Münzen neben dem scharlachroten Ärmel d’Esterres und den dahinschwindenden seines Gegenübers.
    Dann sagte er ruhig: »Sie haben so etwas schon früher gemacht, Sir – ich meine, Dick!«
    Bolitho nickte. »Ein paarmal.«
    Er wollte nicht Quinns Vertrauen durch eine Unterbrechung riskieren, nun, da dieser zu sprechen begann.
    »Ich… Ich dachte, es würde an Bord sein, wenn es dazu käme.«
    Er machte eine hilflose Armbewegung, die die Messe und die angrenzenden Kabinen umfaßte. »All seine Freunde weiß man in der Nähe. Ich glaube, hier könnte ich es zum erstenmal, das Kämpfen.«
    Bolitho sagte: »Ich weiß. Das Schiff ist unsere Heimat. Es hilft.«
    Quinn rang die Hände. »Meine Familie ist im Lederhandel in der City von London. Mein Vater wollte nicht, daß ich zur Marine ging.« Sein Kinn hob sich ein wenig. »Aber ich war entschlossen.
    Ich hatte oft genug ein Kriegsschiff den Fluß herunterfahren und in See stechen sehen. Ich wußte, was ich wollte.«
    Bolitho konnte den Schock nachempfinden, den Quinn erlitten haben mußte, als er zum ersten Mal der rauhen Wirklichkeit an Bord eines Kriegsschiffes begegnete, mit all der harten Disziplin und dem Gefühl, daß man als neuer Fähnrich an Bord der einzige ist, der völlig nutzlos zu sein scheint und von nichts eine Ahnung hat.
    Bolitho war damit aufgewachsen. Die dunklen Porträts an den Treppenhauswänden seines Elternhauses in Cornwall waren eine ständige Erinnerung an alle, die vor ihm diesen Weg gegangen waren. Jetzt setzten er und sein Bruder Hugh die Tradition fort.
    Hugh fuhr auf einer Fregatte, wahrscheinlich im Mittelmeer, wä

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