Zerfetzte Flaggen
mit einem feuchten Tuch ab und blickte hinauf zum Oberlicht.
Langsam bewegte Quinn die trockenen Lippen. »Was war das für ein Geräusch?«
Stockdale betrachtete ihn traurig. »Hurrarufe, Sir. Sie scheinen die gute alte Trojan gesichtet zu haben!«
Dann verlor Quinn wieder das Bewußtsein, hinweggeschwemmt von einer Woge Schmerz. Wenn er am Leben blieb, dachte Stockdale, war er wohl nie wieder derselbe wie vorher. Dann dachte er wieder an das Klatschen, mit dem die Leichen, Freund wie Feind, über Bord gegangen waren, und er sagte sich, daß Quinn immer noch besser dran war.
Rendezvous
Bolitho schritt nach achtern und hielt vor der Treppe zur Schanze inne. Er fühlte die vielen Augen auf sich gerichtet, die ihm schon auf dem Weg über das Deck gefolgt waren, nachdem er an Bord gekommen war. Er war sich auch seines schmutzigen und abgerissenen Aufzuges bewußt, des Loches im Ärmel, der getrockneten Blutflecken auf seinen Breeches.
Noch einmal blickte er sich um und betrachtete die Prise, die aus dieser Entfernung noch hübscher wirkte, wie sie da schmuck an Trojans Leeseite lag. Nur schwer konnte er sich vorstellen, was sich letzte Nacht auf ihr abgespielt, noch schwerer, daß er es übe rlebt hatte.
Sparke war sofort auf die Trojan übergestiegen, nachdem zwischen beiden Schiffen Signalkontakt bestand, und hatte Bolitho den Transport der Verwundeten und die Bestattung des Unglücksschützen mit der weggerissenen Gesichtshälfte überlassen, der inzwischen seinen Verletzungen erlegen war.
Bevor er sich beim Kommandanten meldete, war Bolitho ins Lazarett hinabgestiegen, voller Angst, was er dort vorfinden würde.
Wieder empfand er seine Verantwortung für das Geschehene, als er die wie gekreuzigt auf dem Operationstisch liegende Gestalt erblickte, die im Licht der schwankenden Decklampen wie ein Leichnam schimmerte. Quinn war nackt, und als Thorndike den verfilzten Verband entfernt hatte, sah Bolitho zum erstenmal die klaffende Wunde. Von Quinns linker Schulter lief sie diagonal über die Brust, öffnete sich wie ein obszöner Mund.
Quinn war bewußtlos; Thorndike hatte kurz gesagt: »Nicht schlecht, aber wir müssen abwarten.«
Auf Bolithos Frage: »Können Sie ihn retten?« hatte sich Thorndike in seiner blutigen Schürze ihm zugewandt und geknurrt: »Ich tue, was ich kann. Einem Mann habe ich bereits ein Bein abgenommen, ein anderer hat einen Splitter im Auge.«
Bolitho hatte verlegen geantwortet: »Tut mir leid, ich werde Sie nicht länger aufhalten.«
Jetzt, auf dem Weg zur Kajüte, wo ein scharlachrot gekleideter Seesoldat stand, fühlte Bolitho dumpfen Schmerz von Selbstvorwürfen und Verzweiflung. Sie hatten eine Prise genommen, aber der Preis dafür war zu hoch.
Der Seesoldat knallte seine Stiefel zusammen, und Foley, adrett wie immer, öffnete die äußere Tür. Seine Augen weiteten sich in offensichtlicher Mißbilligung, als er Bolithos abgerissene Ersche inung wahrnahm.
In der Kajüte saß Kapitän Pears an seinem papierübersäten Schreibtisch, ein großes Glas Wein in der Hand.
Bolitho starrte Sparke an. Der war so sauber gekleidet, gewaschen und rasiert, als hätte er das Schiff niemals verlassen.
Pears befahl: »Wein für den Vierten Offizier!«
Er beobachtete Bolitho, als dieser dem Steward das Weinglas abnahm, sah die Überanstrengung, die bleierne Müdigkeit in seinem Gesicht.
»Mr. Sparke hat mir von Ihren eindrucksvollen Taten erzählt, Mr.
Bolitho.« Pears Miene blieb ausdruckslos. »Der Schoner ist ein guter Fang.«
Bolitho ließ sich vom Wein den Magen wärmen, den Schmerz in seiner Seele lindern. Sparke war schon früher an Bord gekommen, hatte sich gewaschen und frisch gemacht, bevor er sich beim Kommandanten meldete. Wieviel hatte er ihm wohl über den ersten Teil des Unternehmens erzählt? Über den unglückseligen Gewehrschuß, der so viel zur Erhöhung ihrer Verluste beigetragen hatte?
Pears fragte: »Wie geht es übrigens Mr. Quinn?«
»Der Arzt hat Hoffnung, Sir.«
Pears betrachtete ihn seltsam. »Gut. Ich hörte, daß sich auch beide Fähnriche wacker gehalten haben.«
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Papieren auf seinem Schreibtisch zu und sagte: »Diese Dokumente fand Mr. Sparke in der Kajüte der Faithful. Sie sind von noch größerem Wert als die Prise selbst.« Mit grimmigem Gesicht fuhr er fort: »Sie enthalten Einzelheiten über die Aufgaben des Schoners, die er nach der Erbeutung von Waffen und Munition aus unserem Konvoi hätte erfüllen
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