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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Sonnenuntergänge dieser Breiten. Die beiden Männer hoben sich als Silhouetten gegen den blutroten Himmel ab, ihre Gesichter lagen im Schatten. Es war kein Irrtum möglich, man spürte Coutts Gereiztheit, Pears verbissenen Eigensinn.
    Das vergnügte Abendessen in der großen Kajüte schien schon weit zurückzuliegen. Coutts hatte den größten Teil der Unterhaltung mit Witz und guter Laune bestritten, Pausen gab es nur, wenn die Gläser nachgefüllt wurden. Er hatte die Leutnants in seinen Bann geschlagen – mit Geschichten über Intrigen und Korruption bei der Militärregierung in New York, über die großen, alten Londoner Häuser, deren Herren – und noch öfter Damen –, in ihren Händen die Zügel der Macht hielten.
    Als erst einmal Pears und der Master ihre navigatorischen Berechnungen beendet hatten, war der Zweck der Fahrt und der Zielort wie ein Lauffeuer durch die Decks gegangen.
    Es war also eine kleine Insel in einer ganzen Inselgruppe, die in der Monapassage zwischen Santo Domingo und Puerto Rico lag.
    Von den meisten wegen der schwierigen Navigation gemieden, war sie ein idealer Umschlagsort für Waffen und Munition, bestimmt für Washingtons wachsende Flotte von Versorgungsschiffen.
    Als Coutts seine Hoffnung auf eine rasche Beendigung ihrer Mission begründet hatte, spürten Bolitho und die anderen seinen Eifer, seine Erregung bei der Aussicht auf einen schnellen Sieg. Diesmal sollte ihm niemand mit einer Warnung zuvorkommen, kein noch so schneller Reiter konnte die Nachricht vom Nahen der Briten übermitteln.
    Diesmal nicht. Mit der Breite des Atlantik in ihrem Rükken, der scharfäugigen Spite vor ihnen, hatte Coutts guten Grund zur Zuversicht.
    Aber das war vor fünfzehn Tagen gewesen. Inzwischen hatte es Verzögerungen gegeben, die Coutts und seinen Offizieren den Stempel der Ungeduld aufgedrückt hatten. Mehrmals war die Trojan zum Beidrehen gezwungen, während die Spite unter vollen Segeln davonbrauste, um ein fremdes Schiff zu untersuchen, und dann mühselig zur Berichterstattung wieder zurückkreuzen mußte.
    Der Wind hatte auch verschiedentlich geschralt, wie Bunce vorausgesagt hatte. Im großen und ganzen war er ihnen jedoch günstig gewesen.
    Jetzt, da wieder ein Sonnenuntergang Dunkelheit über das Schiff breitete, spürte Bolitho die wachsende Ungeduld, ja den Ärger in Coutts raschen Bewegungen.
    Wieder einmal war die Spite vorausgeschickt worden um festzustellen, ob die kleine Insel in der Tat diejenige war, die in den von Paget gefundenen Dokumenten beschrieben wurde. Falls dies zutraf, sollte Cunningham ein Boot an Land schicken und nach Möglichkeit die Stärke des Feindes feststellen. Wenn er niemanden antraf, sollte er sofort zurückkommen und berichten. In jedem Fall hätte er inzwischen zurück sein müssen. Bei dem in den Tropen üblichen raschen Hereinbrechen der Dunkelheit war mit einer Kontaktaufnahme vor morgen früh nicht mehr zu rechnen: wieder ein Tag verstrichen, weitere Ungewißheit.
    Bolitho stand stramm und berührte grüßend seinen Hut, als Pears mit lauten Schritten an ihm vorbeiging. Das Zuschlagen der Kartenraumtür war ein weiterer Beweis seiner schlechten Laune.
    Bolitho wartete nun darauf, daß Coutts ihn ansprach.
    »Ein langer Tag, Bolitho.«
    »Aye, Sir.« Bolitho blickte ihn an und versuchte, des Admirals Gefühle zu ergründen. »Das Barometer steht gleichmäßig hoch, wir sollten diesen Kurs die Nacht über beibehalten können.«
    Coutts hatte gar nicht hingehört. Er stützte sich auf die Reling und starrte hinunter zur Backbordbatterie von Achtzehnpfündern.
    Er trug keinen Hut, und der Wind blies ihm das Haar in die Stirn, was ihn noch jugendlicher erscheinen ließ.
    Dann fragte er leise: »Sind Sie wie die anderen, Bolitho? Halten auch Sie mich für verrückt, weil ich dieses Unternehmen mit aller Gewalt zu Ende führen will, obwohl es auf nichts weiter fußt als auf einem gekritzelten Zettel?«
    »Ich bin nur ein Leutnant, Sir. Ich wußte gar nicht, daß Zweifel daran bestehen.«
    Coutts lachte bitter. »Zweifel? Mein Gott, Mann, ganze Berge davon!«
    Bolitho wartete. Er fühlte des Admirals Ungeduld, seine Enttäuschung.
    Coutts fuhr fort: »Wenn Sie den Rang eines Flaggoffiziers erreichen, glauben Sie, die Welt gehört Ihnen. Aber das stimmt nur zum Teil. Ich war Kommandant einer Fregatte, und kein schlechter.«
    »Ich weiß, Sir.«
    »Danke.« Coutts schien überrascht. »Die meisten Leute, die einen Admiral sehen, scheinen zu denken, er sei

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