Zero Day
…«
»Gelasert«, stellte George klar und zeigte auf die eigenen Augen. »Ich bin zwar alt und fett, aber ich habe bei Fernsichtigkeit noch hundertprozentige Sehschärfe, und der Abstand war nicht sonderlich groß.«
»Glauben Sie, er ist aus der Gegend?«, fragte Cole.
»Kann ich nicht sagen. Wie erwähnt, ich hatte den Eindruck, er kannte den Wald. Eventuell würde ich ihn bei einer Gegenüberstellung erkennen.«
»Erzähl ihnen auch den Rest, George.« Alle drehten den Kopf und sahen, wie sich eine alte Frau ins Zimmer schob, die sich auf einen dreirädrigen, eigentlich für Behinderte bestimmten Rollator stützte. Sie hatte einen rosa Hausmantel an. Ihre geschwollenen Füße steckten in viel zu engen Pantoffeln. Puller bemerkte, dass sie eine perlgraue Kurzhaarperücke trug. Sie mochte ohne Weiteres hundertzwanzig Kilo wiegen und sah genauso ungesund aus wie ihr Gatte. Doch ungeachtet ihrer Arthritis lenkte sie den Rollator mit geübter Hand und bremste ihn dicht neben Puller.
»Ich bin Rhonda, seine weit bessere Hälfte«, stellte sie sich vor.
»John Puller, Armee- CID «, sagte Puller. »Von welchem ›Rest‹ sprechen Sie?«
George Dougett räusperte sich und blickte achtsam seine Ehefrau an. »Sie meint ein paar andere Sachen, die ich auch gesehen habe.«
»Die wir gesehen haben«, berichtigte ihn seine ›weit bessere Hälfte‹. Aus ihren Augen leuchtete regelrechter Triumph, als sie Puller anschaute. »Ich hab’s genau durchs Fenster beobachtet.«
»Wieso?«, hakte Cole nach.
»Weil mein Mann manchmal draußen einschläft, wenn er seine Lungentorpedos raucht. Ich behalte ihn im Auge, damit er sich nicht selbst ansteckt.«
»Ich habe mich noch nie angezündet«, wandte George entrüstet ein.
»Nur, weil du eine liebende Ehefrau von sechsundsiebzig Jahren hast, die sich um dich kümmert«, erwiderte Rhonda in einem Ton, wie ihn Eltern gern gegenüber ihren Kindern einschlagen.
»Und was haben Sie beobachtet?«, fragte Puller.
»Es war gar nichts«, behauptete George nervös.
Rhonda prustete. »Und ob es was war.« Sie richtete den Zeigefinger auf Cole. »Ich habe den Polizisten gesehen, der anschließend umgebracht wurde.«
»Larry Wellman? Wobei haben Sie ihn beobachtet?«
»Er umrundete das Haus, sah sich alles an.«
»Er ging also auf Streife«, sagte Cole. »So was gehörte zu seinen Aufgaben.«
»Haben Sie sehen können, wie er das Haus betreten hat?«, fragte Puller.
»Nein.«
»War er allein?«
Rhonda nickte.
»Um welche Uhrzeit haben Sie diese Beobachtung gemacht?«, fragte Cole.
»Ich würde sagen, zwischen zwölf Uhr dreißig und ein Uhr. George hat vier Lungentorpedos geraucht, und er holt so viel raus, wie er kann.«
»Würdest du bitte aufhören, meine Zigaretten ›Lungentorpedos‹ zu nennen!«, schnauzte George.
»Ach, tut mir leid, du Sensibelchen. Also, George hat vier Sargnägel geschmaucht, und das dauert gewöhnlich bis fast ein Uhr.«
»Seit fünfundfünfzig Jahren muss ich diese Frau erdulden«, erregte sich George. »Es grenzt an ein Wunder, dass ich sie noch nicht umgebracht habe.«
»Lassen Sie sich nicht unterbrechen, Ma’am«, sagte Puller zu Rhonda.
»Tja, danach bin ich ins Bad gegangen. Von da an muss George die Schilderung vervollständigen.«
»Moment mal«, sagte Cole. »Hat Wellman nicht gemerkt, dass Sie auf der Veranda gesessen und geraucht haben?«
George schüttelte den Kopf. »Ich lag in unserem Schaukelstuhl, mit dem Rücken zum Haus der Halversons.«
»Wie konnten Sie denn dann überhaupt etwas sehen?«, fragte Puller.
»Indem ich um die Seite des Schaukelstuhls geschaut habe. Ich konnte alles sehen, aber mich zu bemerken wäre sehr schwierig gewesen. Und die Kippen hatte ich schon ausgedrückt.«
»Wellman befand sich also auf Streife. Und was dann?«
»Und dann bin ich wohl eingeschlafen«, gestand George merklich verlegen ein.
»Da siehst du’s«, rief Rhonda in gehässigem Ton. »Kaum geh ich aufs Klo, besteht höchste Gefahr, dass du dich anbrennst und vollkommen abfackelst. Einäscherung für Arme.«
Ihr Ehemann schnitt eine böse Grimasse. »Ich hatte die Kippen schon ausgemacht, ich hab’s doch gesagt. Und dir käm’s doch nur recht, wenn ich mich selbst verbrenne. Dann könntest du die Kohle meiner Sterbeversicherung in der Spielhalle verzocken, wo du so gern Geld und Zeit vergeudest.«
»Mr. Dougett«, griff Cole ein, »könnten Sie sich vielleicht auf unser Gespräch konzentrieren?«
»Na klar. Jedenfalls, es
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