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Zero Day

Zero Day

Titel: Zero Day Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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denen man auf dem Teppichboden Beweismittelfundstellen gekennzeichnet hatte. Der Vater trug die alte grüne Klasse-B-Uniform, die noch ein paar Jahre lang offiziell im Dienst benutzt werden durfte. Ein Großteil der rechten Gesichtshälfte war fortgerissen worden, eine klaffende Halswunde hatte die Wirbelsäule freigelegt. Eine leere Augenhöhle mitsamt den umliegenden Knochen erwiderte Pullers Blick. Am Oberkörper war der Oberst unverletzt. Er hatte den Treffer aus geringer Entfernung in Gesicht und Hals erhalten. Nach aller Wahrscheinlichkeit konnte nur ein Schrotgewehr einen solchen Schaden anrichten. Puller sah weiße Klümpchen in den Wundmalen. Schusspflaster aus der Patrone. Man durfte hoffen, dass man das Kaliber ermitteln konnte, indem der Schusspflasterdurchmesser bestimmt wurde, oder wenn man auf dem Schusspflaster einen leserlichen Herstellernamen entdeckte.
    Die toten Augen der Mutter starrten Puller an. Für jemanden, der zum Melodramatischen neigte, hätte es vielleicht so ausgesehen, als stünde ein flehentlicher Ausdruck darin: Finde meinen Mörder.
    Puller richtete den Lichtstrahl der Maglite auf ihren Brustkorb. Er sah Dutzende willkürlich verteilter Löcher. Auch auf die Frau war eine Schrotladung abgefeuert worden, allerdings hatte man die Waffe anders eingesetzt.
    Puller zog das Lineal aus der Tasche und vermaß die Abstände zwischen den Einschusslöchern in Mrs. Reynolds’ einstmals weißer Bluse, die vom Blut karmesinrot gefärbt worden war. Er überschlug die Berechnungen im Kopf und schob das Lineal wieder in die Tasche.
    Anschließend befühlte er erst den Arm des Mannes, dann den der Frau. Zwar spürte man noch die Totenstarre, doch ließ sie merklich nach, die Muskeln entspannten sich. Die Leichen hatten Zimmertemperatur oder waren sogar etwas kühler. Puller zückte ein Thermometer und maß die Lufttemperatur.
    An den unteren Extremitäten hatten sich Blutlachen gebildet. Därme und Blasen hatten sich längst entleert. Haut blaugrün, Verwesungsgeruch, Gesichter verquollen. Im Tod sah jeder hässlich aus.
    Puller widmete seine Aufmerksamkeit den Teenagern. Plötzlich verharrte er und wirbelte herum. Ein Geräusch von irgendwo im Haus.
    Anscheinend war er hier nicht der einzige Lebende.
     

 
    8
    Schrumm-wuusch-schrumm. Schrumm-wuusch-schrumm. Das Geräusch drang die Kellertreppe herauf.
    Puller huschte zur Kellertür, schnupperte in der Luft. Trotz des starken Verwesungsgeruchs der Toten konzentrierte er seine Nase auf andere Eindrücke, versuchte etwas Aufschlussreiches zu riechen. Schweiß. Rasierwasser. Zigarettenrauch. Die molekulare Signatur schlechten Atems. Auf alles, was ihm einen Hinweis liefern mochte.
    Nichts.
    Er öffnete die Kellertür mit dem Fuß. Auf der Treppe herrschte Finsternis.
    Na klar.
    Schrumm-wuusch-schrumm.
    Dass das Geräusch mechanisch klang, bedeutete noch lange nicht, dass es etwas Harmloses war. Wollte man jemanden in den Tod locken, bediente man sich der Täuschung. Puller hatte es im Irak und in Afghanistan selbst viele Male so gemacht, genau wie die Gegenseite es mit ihm versucht hatte.
    Er entnahm der Umhängetasche eine Nachtsichtbrille, streifte sie über den Kopf, rückte die Optik zurecht und schaltete sie ein. Augenblicklich erhellte sich der düstere Treppenschacht, allerdings in grünlichem, leicht verwaschenem Licht. Puller ging in die Hocke und zog die zweite geladene Pistole aus dem hinteren Gürtelholster. Beides waren Waffen mit doppelter Hahnbewegung. Für gewöhnlich benutzte er keine zwei Schießeisen zur gleichen Zeit, weil es die Treffsicherheit verminderte, wenn er in ein und derselben Situation auf zwei Ziele feuerte. Aber auf engem Raum, wo die Zielgenauigkeit eine geringere Rolle spielte, benötigte er eine möglichst große Feuerkraft.
    Einer der beiden Hauptunterschiede zwischen Militärpolizisten und CID -Spezialagenten bestand darin, dass ein MP die Dienstwaffen dabeihatte, ohne eine Kugel im Lauf zu haben. CID -Agenten trugen nur scharfe Waffen bei sich. Zweitens gaben MPs ihre Waffen ab, wenn die Schicht endete. CID -Agenten hatten bei jedem Atemzug die Waffe in Griffweite.
    Sobald Puller hinlänglichen Druck auf den Abzug ausübte und schoss, rammte der Schlitten den Hammer nach hinten, und die Pistole verwandelte sich in eine Waffe mit einfacher Hahnspannung. Bei zwei Zwanzig-Schuss-Magazinen verfügte er über vierzig Schuss, doch normalerweise brauchte er lediglich einen. Aber falls es sein musste, konnte er beide

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