Zero Day
Esszimmer in einem Leichensack. Weder bei Wellman noch bei den Reynolds hatten sich Abwehrverletzungen feststellen lassen. Offenbar waren sie alle vom Tod überrascht worden.
Puller hatte seine Beobachtungen unter Verwendung des Geräts dokumentiert, das er zum besseren Organisieren der Spurensicherung am Gürtel trug. Aufgeregt hatte Monroe sich nach den Eigenschaften des Instruments erkundigt.
»Bei der Armee nennt man das Ding TATA , Tatortuntersuchungsapparat. Es ist eine Kombination aus Kamera, Strichcodierer, Digitalmonitor, Beschrifter und Drucker. Ich kann es mit USB an meinen Laptop koppeln. Auch an meinen Digitalrekorder. Und es hat einen elektronischen Stimmwandler, der automatisch in Schriftfassung umsetzt, was ich mündlich diktiere. An der Tastatur bin ich ziemlich langsam.«
»Das ist ja total cool«, sagte Monroe.
»Seien Sie lieber nicht so begeistert, Lan«, riet ihm Cole. »Ich bezweifle, dass in unserem Budget für so eine Anschaffung Geld vorhanden ist.«
Puller schaute Cole an. »Erzählen Sie mir etwas über den Hund der Familie.«
»Ein Zwergcollie. Ein Kollege hat ihn in Obhut genommen. Umgängliches Tier.«
»Gut, aber haben irgendwelche Nachbarn ausgesagt, sie hätten Gebell gehört?«
»Der Hund kann nicht bellen«, antwortete Cole. »Wahrscheinlich ist das der einzige Grund, weshalb man ihn am Leben gelassen hat.«
»Ein Hund, der nicht bellen kann?«
»Also, in unserer Gegenwart hat er jedenfalls kein einziges Mal gebellt. Vielleicht musste er irgendwann einmal einer Operation unterzogen werden. Bei so was kann die Fähigkeit zum Bellen verloren gehen. Hat mir jedenfalls eine befreundete Tierärztin gesagt, die ich gefragt habe.« Cole betrachtete die jetzt auf dem Fußboden aufgereihten Leichen. »Sie sagten, diese armen Leute seien verhört worden. Was genau meinen Sie damit? Offenkundig hat man sie ja wohl nicht nach ihrer Ermordung verhört. Und warum sollte man sie nach der Ermordung nebeneinander auf die Couch gesetzt haben?«
»Ich glaube, man wollte das Verhör aufzeichnen. Und anschließend auf dem Video auch zeigen, dass sie tot sind.«
»Um das Video an irgendwen weiterzuleiten?«
»So sehe ich es.«
Nachdenklich nickte Cole. »Das heißt, wenn uns das Video in die Hand fällt, stoßen wir eventuell auf Hinweise. Zum Beispiel könnte einer der Mörder vor die Kamera getreten sein. Oder vielleicht ist einer der Täter in einer Spiegelung zu erkennen.«
»Stimmt, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir auch die Täter schnappen, wenn wir das Video finden. Aber genau deshalb werden sie es nicht leichtfertig herumliegen lassen.«
»Tja, dann wollen wir hoffen, dass es trotzdem dazu kommt.«
»Wir müssen die Toten schnell in einem Kühlraum deponieren und die Autopsie vornehmen.« Puller senkte den Blick auf die in Verwesung übergehenden Leichen. »Von einem gewissen Zeitpunkt an kann man kaum noch gerichtsverwertbare Indizien entdecken. Haben Sie schon Nachricht von dem Arzt mit den forensischen Kenntnissen?«
»Wir erhalten noch im Laufe des Tages näheren Bescheid.«
Puller ging neben Matt Reynolds in die Hocke. »Büchsenschuss ins Gesicht. Entfernung rund einen halben Meter, Streuung gering, Schusspflaster in den Wunden. Falls der Lauf eine Mündungsverengung hatte, könnte dadurch die Analyse erschwert werden.« Er zeigte auf die Schusspflasterreste. »Lan, haben Sie eine Probe genommen, um das Kaliber zu bestimmen?«
»Jawohl. Den Test habe ich noch nicht vorgenommen, aber ich hoffe, der Vergleich des Durchmessers mit dem Durchmesser intakter Exemplare verhilft uns zu einem Resultat.«
Puller richtete seine Aufmerksamkeit auf die tote Ehefrau. »Ich habe den Abstand zwischen den Schrotkorntreffern gemessen. Unter zusätzlicher Berücksichtigung dessen, dass ein Haupteinschussloch und Schusspflasterreste fehlen, bin ich zu der Auffassung gelangt, dass die Frau wahrscheinlich aus einer Entfernung von über drei Metern erschossen wurde.«
»Allerdings unten im Keller«, sagte Cole, wobei sie sich neben ihn kniete.
»Vermutlich«, pflichtete Puller ihr bei. »Die Untersuchung der Blutspuren wird es voraussichtlich bestätigen.«
»Warum im Keller?«, fragte Cole.
»Es ist leiser«, sagte Puller. »Dennoch bleiben Probleme.«
»Zum Beispiel?«
»Mitten in der Nacht können auch Schüsse im Keller Aufmerksamkeit erregen. Und man muss die übrigen Gefangenen unter Kontrolle behalten. Sie hören einen Schuss, geraten in Panik, fangen an zu schreien,
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