Zero Day
durchstehen, sind harte Gegenspieler.«
Insgeheim zog Puller in Erwägung, dass der mutmaßliche Täter eine Spezialausbildung absolviert hatte. Vielleicht beim Militär. Er fragte sich, ob man bei der Armee schon etwas ahnte und ob man ihn aus diesem Grund allein auf den Fall angesetzt hatte.
Eine Kellnerin kam, um ihre Bestellungen aufzunehmen, eine dralle, ruppige Frau mit grauen Haaren, dunklen Augenringen und rauer Stimme.
Puller hatte sich für eins der Frühstücksangebote entschieden: Drei Rühreier, Schinken, Maisgrütze, Bratkartoffeln, Toast und Kaffee. Cole bestellte einen Gemischten Salat mit Essig und Öl, dazu einen Eistee. Als Puller den Arm hob, um der Kellnerin die Speisekarte zu reichen, öffnete sich seine Jacke, sodass sie die M11 sah. Die Kellnerin blinzelte kurz, ehe sie beide Speisekarten nahm und sich entfernte. Puller bemerkte ihren Blick und bezweifelte, dass sie das erste Mal im Leben ein Schießeisen gesehen hatte.
»Frühstück?«, meinte Cole.
»Mir war heute noch keines vergönnt. Ich dachte mir, ich hole es nach, bevor ich ins Bett gehe.«
»Haben Sie mittlerweile mit Ihrem Vorgesetzten gesprochen?«
»Ja.«
»Ist er mit den Fortschritten zufrieden?«
»Dazu hat er sich nicht geäußert. Und um ehrlich zu sein, ich habe noch keine nennenswerten Fortschritte erzielt. Ich bin nur auf zahllose Fragen gestoßen.«
Die Kellnerin kam zurück und brachte den Eistee und den Kaffee. Cole trank einen Schluck. »Sind Sie wirklich der Meinung, dass man diese Leute vor der Ermordung verhört hat?«
»Ich stehe irgendwo zwischen Vermutung und Schlussfolgerung.«
»Und was halten Sie von dem Meth-Labor im Keller?«
»Ich würde es vorzugsweise geheim behandeln.«
»Wir tun unser Bestes. Ich habe meine Jungs zu vollständigem Schweigen verpflichtet.« Cole zögerte und schaute zur Seite.
Puller erriet ihre Gedanken. »Aber Drake ist eine Kleinstadt, in der manchmal etwas Geheimes nach außen dringt?«
Cole nickte. »Weshalb könnten sie verhört worden sein?«
»Nehmen wir an, die Personen, die Treadwell und Bitner ermordet haben, waren im Drogengeschäft ihre Komplizen. Einem Mitglied der Familie Reynolds ist etwas Verdächtiges aufgefallen. Oder mehreren Familienangehörigen. Dabei werden sie gesehen. Die Drogenhändler wollen erfahren, wie viel sie beobachtet und ob sie es schon irgendwem erzählt haben.«
»Und zeichnen ein Video auf, um es jemandem zu zeigen? Aber wenn es nun ein Verbrechen lokalen Charakters war?«
»Es kann keines lokalen Charakters gewesen sein, jedenfalls nicht ausschließlich. Die mexikanischen Drogenkartelle sind im ganzen Land aktiv, in Städten ebenso wie in ländlichen Gebieten. Diese Gangster verstehen keinen Spaß. Und sie verfügen über erstklassige Ausrüstung, auch was Kommunikationsgerät angeht. Es könnte sogar eine Liveübertragung stattgefunden haben.«
»Aber nach Ihrer Einschätzung war es doch ein simples Meth-Labor mit einer Produktion geringen Umfangs.«
»Vielleicht war es für Treadwell und Bitner bloß ein Nebenerwerb. Sie könnten in größerem Maßstab in der Drogenverschiebung tätig gewesen sein. Haben Sie hier ein Drogenproblem?«
»Welche Gemeinde hat keins?«
»Über dem Durchschnitt?«
»Ja, ich glaube, es liegt über dem Durchschnitt«, gestand Cole. »Meistens dreht es sich dabei um verschreibungspflichtige Medikamente. Spinnen wir die Theorie doch mal weiter. Weshalb sollten sie Treadwell und Bitner umgebracht haben?«
»Es wäre möglich, dass sie abgelehnt haben, an Liquidierungen mitzuwirken, und selber sterben mussten, um sie zum Schweigen zu bringen.«
»Ich weiß nicht …«, sagte Cole. »Es könnte passen.«
»Es passt lediglich zu dem, was wir bis jetzt wissen. Alles kann sich noch entscheidend ändern. Beide hatten keinen Ehering am Finger.«
»Nach allem, was ich recherchieren konnte, lebten sie ohne Trauschein zusammen.«
»Seit wann?«
»Seit ungefähr drei Jahren.«
»Mit dem Vorsatz, irgendwann zu heiraten?«
»Nein. Nach dem, was ich herausgefunden habe, wohnten sie nur aus Einsparungsgründen im selben Haus.«
Puller schaute Cole verwundert an. »Was?«
»Dann reicht der Gehaltsscheck länger. Man hat nur eine Hypothek oder eine Miete zu zahlen. So was ist hier gängige Praxis. Die Leutchen müssen schauen, wie sie überleben.«
»Na gut. Was wissen Sie außerdem über sie?«
»Während Sie den Einzelkämpfer spielten, habe ich rasch und zackig Erkundigungen eingezogen. Persönlich kannte
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