Zero Day

Titel: Zero Day Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci

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geschrammt, innen vom Dach des Humvee abgelenkt worden ist und sich als Querschläger in seinen Hals gebohrt hat, nachdem ihr der Großteil der Durchschlagskraft verloren ging. In den Augen der Ärzte, die sie aus einer Stelle dicht unter der Haut entfernen, wird sie einer dicken Metallzitze ähneln. Gegenwärtig jedoch nimmt er den Treffer nicht einmal wahr. Und selbst wenn es so wäre, würde es keine Rolle für ihn spielen.
    Dann hebt John Puller von Neuem die Waffe …


    23
    Puller erwachte, wie immer ganz ruhig und ohne hochzuschrecken, auf der dünnen Matratze in Annie’s Motel . Er setzte sich auf. Er hatte sein Dasein vollständig in der Hand, und seine Bewegungen liefen gemessen und gleichmäßig ab. Er befand sich nicht mehr zu Gefechtszwecken am Stadtrand Kandahars und kämpfte gegen Mörderbanden, deren Mitglieder komische Teewärmermützen trugen. Vielmehr weilte er in einem nordamerikanischen Kohletagebau-Bundesstaat und ermittelte gegen Mörder, die möglicherweise aus dem Ort kamen.
    Er brauchte nicht auf die Uhr zu schauen. Ihm sagte die innere Uhr, was er wissen musste: Es war halb fünf. Er duschte und gönnte sich unter dem heißen Wasser zusätzliche dreißig Sekunden, um den Geruch jahrealter Erinnerungen abzuwaschen. Doch es klappte nicht. Es gelang nie. Er unternahm lediglich einen gewohnheitsmäßigen Versuch.
    Er kleidete sich in die Kluft, die hier quasi zu seiner Uniform geworden war: Jeans und CID -Polohemd. Doch statt die Sneakers anzuziehen, stieg er in ein altes Paar beigebrauner Militärstiefel.
    Draußen war es schon sehr warm. Vermutlich kühlte es in diesem Landstrich nachts nie richtig ab. Aber egal, wie heiß es hierzulande werden mochte, mit Afghanistan oder Irak im Sommer konnte es sich nicht messen. Dort herrschte eine Hitze, die man nie wieder vergaß. Am wenigsten, wenn entzündeter Dieseltreibstoff die Luft zusätzlich erhitzt hatte. Wenn die Schreie brennender Menschen gellten, die schwarz verkohlten und noch vor aller Augen in ihrer Umgebung zerfielen.
    Sein Handy summte. Wohl die Dienststelle. Oder eventuell Cole. Vielleicht hatte sich wieder etwas ereignet. Er schaute auf das Display und sah die Anrufernummer. Sein Gesichtsausdruck wechselte von Wachsamkeit zu einer anderen Miene, einem Ausdruck der Selbsterniedrigung.
    »John Puller.«
    »Sie haben mich nicht zurückgerufen, Hauptfeldwebel.«
    »Ich bin dienstlich unterwegs.« Puller zögerte, aber nur eine Sekunde lang. »Wie geht’s, General?«
    John Puller senior hatte eine Stimme, die an einen großen, breitbrüstigen Hund erinnerte. In der Armee kursierte der Mythos, er könnte jemanden allein durch seine Stimme töten, indem er dem Herzen des anderen mörderische Furcht einjagte. »Sie haben mich nicht zurückgerufen, Hauptfeldwebel«, wiederholte er, als hätte er Pullers Antwort nicht gehört.
    »Ich hatte es mir für heute vorgenommen, Sir. Gibt es irgendwelche Probleme?«
    »Meine Truppe geht den Bach runter.«
    Pullers Vater hatte seine Söhne ziemlich spät im Leben gezeugt. Jetzt zählte er fünfundsiebzig Jahre, und seine Gesundheit ließ merklich nach.
    »Sie werden sie zusammenstauchen und wieder in Schwung bringen, Sir. Es ist Ihnen noch jedes Mal gelungen. Und es sind tüchtige Männer. Sie ziehen mit. Ranger bleiben immer an der Spitze, General.« Puller hatte es seit Langem aufgegeben, mit seinem Vater zu diskutieren und ihm verdeutlichen zu wollen, dass er keine, überhaupt keine Truppe mehr kommandierte; dass er alt und krank war und schneller dahinsiechte, als er glaubte. Oder womöglich bildete der alte Recke sich ein, er müsste niemals sterben.
    »Ich brauche Sie hier bei mir, Hauptfeldwebel. Sie können die Männer wieder auf Trab bringen. Ich habe mich immer auf Sie verlassen.«
    Puller war zum Militär gegangen, als die ruhmvolle Karriere seines Vaters sich bereits dem Ende näherte. Nie hatten sie irgendwo gemeinsam gedient. Aber der Alte hatte stets ein aufmerksames Auge auf die Laufbahn seines Jüngsten gehabt. Dessen Leben war wegen der Verwandtschaft mit dem Generalleutnant nicht etwa leichter geworden. Im Gegenteil, es war unsäglich schwieriger gewesen.
    »Vielen Dank, Sir. Aber wie erwähnt, ich bin in einer anderen dienstlichen Angelegenheit unterwegs.« Puller stockte nochmals, blickte wieder auf die Uhr. Er fiel im Zeitplan zurück. Es behagte ihm nicht, diesen Joker zu ziehen, aber wenn es sein musste, zögerte er nicht. »Vorgestern habe ich Bobby gesprochen. Er hat