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Zero Day

Zero Day

Titel: Zero Day Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Laufes zu minimieren, schießt er zwischen zwei Herzschlägen, drückt den Abzug bedächtig, ohne Hast, mit sicherer Hand, benutzt die Fingerkuppe, um einem Seitwärtsdrall der Waffe vorzubeugen. Das Geschoss trifft und wirbelt einen Taliban im Laufen herum, als wäre er eine Ballerina. Inmitten der Straße schlägt er auf die afghanische Erde. Er wird liegen für alle Zeit, weil Corporal John Pullers schweres Projektil sein Gehirn zerstört hat.
    Puller betätigt den Verschluss der Waffe und lädt ein zweites .7.62er-Projektil.
    Einen Sekundenbruchteil später rennt ein noch größerer, noch sehnigerer Taliban über die Straße.
    Puller bewältigt seinen Tötungsalgorithmus mit Lichtgeschwindigkeit, seine Synapsen feuern sogar schneller, als die Kugel fliegt, die er nun verschießen wird. Ein zweites Mal drückt er ab, und wieder dreht sich ein afghanischer Leib, dem schlagartig wesentliche Teile des Hirns fehlen, um die eigene Achse. Geradezu voller Anmut kreiselt das getroffene Weichziel, mit allen Anzeichen vollkommener Endgültigkeit. Auf den Schauplätzen des Wüstenkriegs gibt es keinen zweiten Akt. So wie der erste Gefallene erfährt auch dieser Taliban nie, dass er tot ist, denn das Gehirn verarbeitet in einer solchen Situation die Informationen nur langsam. Das Aufheulen seiner Mitkämpfer gellt durch die Luft. Waffenverschlüsse klacken.
    Die Taliban sind wutentbrannt. Puller hat das erste Ziel erreicht. Wer wütend ist, kämpft niemals gut. Dennoch werden sie eine gewisse Vorsicht walten lassen, denn sie wissen jetzt, da ist jemand, mit dem nicht gut Kirschen essen ist.
    Puller sieht sich seine Männer an. Während ihm selbst aus mehreren Wunden Blut aus dem Körper sickert, versucht er rein äußerlich ihre Verfassung zu beurteilen. Drei seiner Jungs sind tot, schon fast bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, weil die Detonation von Treibstoff und Munition ihnen gegen Unterleib und Brustkorb gewuchtet ist. Für sie besteht keinerlei Chance mehr. Ein Mann ist aus dem entflammten Fahrzeug geschleudert worden, liegt jedoch im Sterben. Ein Stück des Brustkastens und das rechte Bein sind ihm weggerissen worden, und auf einmal platzt vor Pullers Augen etwas im Leib des Schwerverletzten, ein Strahl unter Überdruck stehenden Arterienbluts sprüht als grässliche rote Fontäne aus dem Körper. Er wird in den nächsten Sekunden tot sein. Aber da sind vier weitere Verwundete, die er retten kann, oder er wird bei dem Versuch sterben.
    Schüsse werden auf ihn abgegeben. Die Taliban rennen nicht mehr umher. Sie sind in Deckung gegangen, legen ihre Waffen an – oftmals amerikanische Waffen, die noch aus dem vor Jahrzehnten stattgefundenen Krieg gegen die Russen stammen – und beabsichtigen ihr Bestes zu geben, um ihn zu töten.
    Sie sind fest entschlossen.
    Puller aber auch.
    Sie haben Kameraden, für die sie den Kampf wagen.
    Puller ebenfalls.
    Sie sind in der Überzahl. Er hat Verstärkung angefordert. Wahrscheinlich wird es länger dauern, bis sie eintrifft, als er noch zu leben hat. Um sich der gefährlichen Lage zu entwinden, wird er die Taliban allesamt töten müssen. Das zu leisten ist John Puller vollauf bereit. Tatsächlich erwartet er sogar, dass es ihm gelingt.
    Alle überflüssigen Gedanken werden verdrängt. Er konzentriert sich. Er denkt nicht mehr, wendet nur noch an, was er gelernt hat und was ihm in Fleisch und Blut übergegangen ist. Er wird kämpfen, bis sein Herz stillsteht.
    Vollständige Konzentration. Darauf kommt es an. Sie ist das Ergebnis all der Jahre des Schwitzens und Leidens, in denen jemand ihn anbrüllte, er sei unfähig, aber in Wahrheit die Erwartung hegte, dass Puller es irgendwann besser kann als alle anderen.
    Die nächsten drei Minuten entscheiden. Denn mehr Zeit wird es voraussichtlich nicht brauchen, bis er aus diesem Zusammenprall verzweifelter Männer als Sieger hervorgeht oder tot ist. Multipliziert man diese individuellen Auseinandersetzungen um Leben und Tod mit einem Faktor von einer Million, laufen sie auf etwas hinaus, das man Krieg nennt.
    Er lässt die Taliban den Kugelhagel zelebrieren. Die Geschosse prallen mit klingelnden Geräuschen von der amerikanischen Humvee-Panzerung ab. Andere Projektile sausen an seinem Kopf vorbei und heulen wie Miniaturdüsenjäger. Eines streift seinen rechten Arm und verursacht eine weitere von etlichen vernachlässigbaren, leichten Wunden. Später wird er erfahren, dass eine Gewehrkugel über die Panzerplatten seiner Schutzweste

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