Zero kommt gleich
Es war der erste Champagner
meines Lebens. Dann sind wir am Nachmittag in den Vergnügungspark gegangen, und
du hast zwanzig Dollar ausgegeben an den Schießständen, nur um mir noch eine Puppe für meine Sammlung zu gewinnen. Und in
der Nacht, Mike, weißt du noch, was ich für eine Angst gehabt habe, als wir uns
in dem Hotel als Ehepaar einschrieben ?«
»Klar«, nickte ich. »Das war
ein prima Tag .«
»Es war auch eine wunderbare
Nacht«, sagte sie leise. »Ich hatte nie geahnt, wie schön Liebe sein kann. Ich
wäre beinah vor Leidenschaft gestorben, Mike .«
»Mir ging es genauso, kleines
Mädchen«, entgegnete ich heiter, wobei ich mit Gewalt die aufsteigende Übelkeit
über soviel Kitsch herunterwürgen mußte.
»Ich habe darauf gewartet, daß
es noch einmal so schön wird, Mike«, flüsterte sie. »Jede Nacht habe ich von
dem Wiedersehen geträumt, und jetzt bist du wieder bei mir und sitzt mir
gegenüber. Ob es wohl jemals wieder so schön wird wie damals ?«
»Das weißt du doch .« Ich sah ihr seelenvoll in die Augen. »Wozu wäre ich denn
sonst gekommen ?«
Sie warf einen Blick auf die
Uhr über der Bar, dann lächelte sie mir zu. »In einer Minute muß ich gehen,
Liebling .«
Der Haaraufbau und das schwere
Make-up, das aufgetakelte Kleid unter dem Regenmantel, die rührselige
Unterhaltung und die Erwähnung einer anderthalbstündigen Pause mußten selbst
dem größten Idioten klarmachen, daß sie im Schaugewerbe arbeitete. Aber damit
wußte ich noch nicht, was sie genau tat.
»Wo arbeitest du eigentlich
jetzt, kleines Mädchen ?« fragte ich leichthin.
»In der Blue Goose «, entgegnete sie. »Eigentlich hatte ich in der
Nähe von Los Angeles zu tun, aber als ich hörte, daß du rauskamst, habe ich es
so arrangiert, daß ich hier sein konnte .« Sie zögerte
einen Moment. »Um halb drei bin ich fertig. Sehen wir uns nach der Show ?«
»Aber bestimmt. Nur schnell
noch eins, Liebling: Hast du eigentlich noch dieses kleine Päckchen? Ich bat
dich doch, es für mich aufzuheben .«
Ihre Augen sahen mich
verständnislos an. »Du hast mir niemals ein Päckchen gegeben, Mike .«
»Nein?« Ein paar Sekunden
starrte ich in das verblüffte Gesicht, dann grinste ich dümmlich. »Ja,
erinnerst du dich denn nicht mehr? Ich habe meine Liebe in ein Päckchen
gewickelt und dich gebeten, bis zu meiner Rückkehr gut darauf aufzupassen .«
»Oh, Mike!« Ihre Augen
schwammen schon wieder in Tränen. »Gleich fange ich an zu heulen, und das wird
Mr. Edwards gar nicht recht sein .«
»Chris Edwards ?« fragte ich.
»Aber ja doch.« Sie schaute mich
plötzlich neugierig an. »Ihm gehört der Laden immer noch .«
»Ich dachte, er hätte längst
verkauft«, meinte ich. »Okay, dann wollen wir ihn und die Gäste nicht länger
warten lassen. Nach der Show sehen wir uns wieder .«
»Ich hab für die Zeit meines
Engagements eine kleine Wohnung gemietet«, murmelte sie eifrig. »Ein richtig
schnuckeliges, kleines Apartment. Es wird dir bestimmt gefallen .«
Als sie gegangen war, ließ ich
mir noch einen Bourbon bringen und sah auf die Uhr. Es war jetzt kurz nach halb
eins, ich hatte also noch viel Zeit. Der Kellner brachte mir mein Glas, und als
ich gerade den ersten Schluck nehmen wollte, bekam ich neuen Besuch.
Es war ein untersetzter Mann
mit kalten Augen und kurzgeschnittenem braunem Haar. Bedächtig nahm er seinen Hut
ab und legte ihn mitten auf den Tisch. Deutlicher hätte er sich gar nicht als
Polizist ausweisen können.
»Na, netter Abend, Kluger ?« fragte die kalte Stimme.
»Was dagegen ?« fragte ich zurück.
»Aber keineswegs. Ich wundere
mich nur, daß Sie mich nicht wiedererkennen .«
»Ein Gesicht wie Ihres vergißt
man nicht so leicht, Leutnant .« Ich grinste ihn
häßlich an. Die detaillierte Beschreibung von Leutnant Cromby ,
der Kluger damals in New York verhaftet und ihn zur Verhandlung an die
Westküste gebracht hatte, war mir noch gut im Gedächtnis.
»Sie machen wohl Pläne für ein
neues Leben, Kluger«, sagte er plötzlich. »Erzählen Sie mir davon. Ich habe ein
ausgesprochen weiches Herz für ehemalige Strafgefangene wie Sie. Wenn ich
nachts nicht schlafen kann, überlege ich mir immer, wie ihr Burschen es
anfangen wollt, ehrliches Geld zu verdienen .«
»Sie haben außerdem einen
goldigen Humor, Leutnant«, entgegnete ich.
»So habe ich mir gestern nacht den Kopf darüber zerbrochen, ob Sie weiter im
Diamantengeschäft bleiben wollen«, fuhr er fort, als ob er meine
Weitere Kostenlose Bücher