Zero Option: Thriller
ihn bereits entdeckt. Petrenko zögerte. Furcht zeigte sich auf seiner Miene. Die anderen jedoch stürmten vorwärts, Hände fuhren in Jacketts oder Hosentaschen. Sie ließen ihre Waffen stecken, weil Victor seine Hand auf die Smith & Wesson in seinem Hosenbund legte und sie daher wussten, dass er bewaffnet war. Sie kamen näher. Fünf gegen einen, fünfzehn Meter Abstand, keine Hindernisse. Sie konnten völlig unbesorgt sein. Er besaß zwar mit Sicherheit die besseren Reflexe, aber mehr als drei Schüsse konnte er auf keinen Fall abfeuern, bevor drei Kugeln auf ihn abgegeben wurden. Nur eine davon musste treffen. Victor würde seine Waffe nicht ziehen, weil das Selbstmord gewesen wäre. Das wussten sie. Aber falls einer von ihnen zog, dann würde er reagieren, und ganz egal, wer von ihnen als Erster die Waffe in die Hand nahm, er würde von Neun-Millimeter-Geschossen durchbohrt werden, bevor die anderen zurückschießen konnten. Das wussten sie auch.
Der Glatzkopf rannte weiter, an Petrenko vorbei zum Taxistand. Victor ging rückwärts, war jetzt schon wieder in der Bahnhofshalle, versuchte sich in die schützende Menschenmenge zurückzuziehen. Sie waren schneller als er, aber er wagte nicht, ihnen den Rücken zuzukehren. Ohne ein Wort der Verständigung schwärmten zwei der fünf nach rechts und links auf die Flanken aus, während Petrenko und die anderen drei unbarmherzig näher kamen. Schon wenige Sekunden später konnte Victor die beiden äußeren nur noch mit Mühe aus dem Augenwinkel erkennen – und dann gar nicht mehr. Er drehte hastig den Kopf erst nach links, dann nach rechts, versuchte sie im Blick zu behalten, schaffte es aber nicht, ohne gleichzeitig die anderen aus den Augen zu verlieren.
Eine Gruppe älterer Männer und Frauen querte seinen Weg von rechts nach links, mit langsamen Schritten, den Blick starr auf eine Art Broschüre gerichtet. Wahrscheinlich eine Tourenbeschreibung. Sie verstellten seinen Verfolgern den Blick. Victor drehte sich um und rannte los.
Er stürmte geduckt durch die Menge, sah, dass die beiden Flankenläufer es ihm nachmachten, von beiden Seiten näher kamen, seine Bewegungsfreiheit einschränkten. Sie mussten nichts weiter tun, als ihm so nahe zu kommen, dass er langsamer wurde, und darauf warten, dass die anderen aufschlossen. Er steuerte eine Rolltreppe an, nahm immer zwei Stufen auf einmal, drängte sich an anderen Reisenden vorbei. Als der erste von Petrenkos Männern am Fuß der Rolltreppe anlangte, war Victor noch drei Stufen vom oberen Ende entfernt. Er drückte auf die Nothalt-Taste. Der Mann am unteren Ende stürzte, vom Schwung mitgerissen, nach vorn. Die anderen Fahrgäste stöhnten und fluchten.
Das Durcheinander brachte Victor insgesamt dreißig Sekunden Vorsprung. Nicht genug, um seinen Verfolgern davonzulaufen, aber vielleicht genug, um sich zu verstecken oder den Ort des Kampfs selbst zu bestimmen. Er war jetzt in einer kleinen Ladenzeile mit zwei Stockwerken und jeweils ungefähr einem Dutzend Geschäften. Er blickte sich um. Kleider, Sportartikel, Dessous, Postkarten, Kosmetik. Nichts, womit er etwas anfangen konnte.
Er hastete weiter, kam um eine Ecke, verlangsamte seine Schritte, damit die Leute ihm nicht nachstarrten und dadurch seine Position preisgaben. An einem Verkaufsstand wurden frisch gepresste Obstsäfte angeboten, an einem anderen Spielzeug-Hubschrauber. Er betrat die Speiseabteilung des kleinen Einkaufszentrums mit etlichen Cafés, Restaurants und Bars. Eine Bar sah besonders gut aus. Sehr belebt.
Mit schnellen Schritten trat er durch die offene Vorderfront. Das fantasielose Hintergrundgedudel des Einkaufszentrums wurde vom Klang Dutzender Gespräche sowie der Achtzigerjahremusik, die aus den Boxen an der Wand dröhnte, abgelöst. Er benahm sich unauffällig, nichts weiter als ein Geschäftsmann, der eine Kleinigkeit trinken wollte, solange er auf seinen Zug wartete. Niemand beachtete ihn. Er zog sein Jackett zurecht und ging zur Theke.
Ein junger Mann, der viel zu klug und viel zu gut aussah, um einfach nur Barkeeper zu sein, fing seinen Blick auf, und Victor bestellte einen Wodka Lemon. Während er auf seinen Drink wartete, stellte er sich hinter ein paar andere Gäste, sodass er von draußen so gut wie nicht zu sehen war, während er gleichzeitig freie Sicht auf die Passanten hatte. Bis jetzt aber keine Spur von Petrenkos Männern.
Es musste außer der Rolltreppe noch einen anderen Weg zurück in die Bahnhofshalle geben. Hoffentlich
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