Zero Option: Thriller
Umständlich deutete sie zuerst auf die Kamera und dann auf den Mann und sich selbst.
»Aber sicher, selbstverständlich«, erwiderte Victor.
Obwohl es nach menschlichem Ermessen nicht mehr möglich schien, wurde das Lächeln der beiden noch breiter. »Oh, Sie sprechen Englisch. Wunderbar. Danke vielmals.«
Adrianna sagte: »Sie sind aus England, nicht wahr?«
Die blonde Frau lachte kurz. »Ist das so offensichtlich?«
Victor zog eine Augenbraue in die Höhe. »Engländer im Ausland haben eine ganz bestimmte Art zu reden.«
»So ist es, nicht wahr? Genau so ist es. Danke nochmals, dass Sie uns fotografieren wollen.«
Er erwiderte: »Kein Problem«, obwohl es in Wirklichkeit sehr wohl ein Problem war. Wäre er alleine gewesen, dann hätte er so getan, als spräche er die Sprache nicht, und wäre weitergegangen. Er vermied eigentlich jeden Kontakt, der ihm von außen aufgezwungen wurde, aber das brauchte Adrianna nicht unbedingt zu erfahren.
Die Touristin reichte ihm ihre Kamera. »Wenn Sie im Hintergrund das Opernhaus mitfotografieren könnten, das wäre wunderbar.«
»Kein Problem.«
Er machte eine Handbewegung. »Vielleicht stellen Sie sich ein bisschen dichter zusammen.«
»Oh, ja, natürlich.«
Sie schmiegte sich ein wenig enger an ihren Freund, schlang ihren Arm um seine Hüfte, als könnte er sonst jeden Augenblick davonlaufen. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. Das sah alles ein bisschen steif und unterkühlt aus. Typisch Engländer.
Victor trat ein Stück zurück und ließ sich auf ein Knie nieder, um die beiden im Bildmittelpunkt und das Opernhaus im Hintergrund zu haben. »Jetzt sagen Sie mal Cheese «, meinte er und drückte auf den Auslöser. Danach gab er die Kamera zurück. »Ihr erstes Foto in Sofia«, erkannte er nach einem Blick auf das Display. »Ich fühle mich geehrt.«
Das Pärchen sah sich die Aufnahme an. »Oh, das ist perfekt. Ganz herzlichen Dank, wirklich .« Sie stieß ihren Freund an. »Ich freu mich schon, wenn wir das Andy und Meg zeigen können.«
Schließlich verabschiedeten sich die beiden, und Adrianna und Victor waren wieder alleine. Adrianna nahm seine Hand.
»Das war ja ein richtig süßes Pärchen«, sagte sie.
Victor nickte. Er hatte keine konkrete Vorstellung davon, was ein süßes Pärchen war und was nicht.
»Ich kann mir die beiden gut vorstellen, alt und grau, aber immer noch genauso verliebt wie heute.«
Victor nickte noch einmal. So etwas konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Sie strich ihm über die Arme. »Denkst du eigentlich manchmal daran, dich irgendwo niederzulassen, Emmanuel? Dir eine nette Frau zu suchen, die dir dann die Hausschuhe bringt?«
»Machen Frauen das heutzutage eigentlich noch?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte sie und zuckte mit den Achseln. »Für den richtigen Mann vielleicht schon.«
In ihrem Blick lag ein bestimmter Ausdruck, aus dem Victor nicht schlau wurde. »Was möchtest du jetzt unternehmen?«, fragte er.
»Ich weiß nicht. Hast du Hunger?«
»Ich könnte schon etwas essen, wenn du auch Appetit hast.«
»Ich habe seit Stunden schon Appetit. Diese Diät bringt mich noch um.«
Victor kannte ein gutes indisches Restaurant, ungefähr zwanzig Minuten zu Fuß entfernt, aber Adrianna war so hungrig, dass sie ein Taxi nahmen. Er bestellte sich als Vorspeise Aloo-Tikki-Bällchen und als Hauptgericht Paneer Makhani. Adrianna nahm Bhelpuri und anschließend ein Matar Hara Pyaz mit Pilzen. Das Essen war hervorragend, sehr aromatisch und intensiv gewürzt, aber nicht zu scharf. Zum Nachtisch hatten sie beide ein Mango-Eis, das in Kegelform serviert wurde, wie eine umgestürzte Eiswaffel. Zum Abschluss nahmen sie noch eine Tasse milchigen indischen Tee, und Adrianna erzählte, dass sie daran dachte, an die Universität zurückzukehren.
»Ich überlege, ob ich eine Doktorarbeit schreiben soll«, sagte sie. »Irgendwie fehlt mir die Uni. Das Geschichtsstudium in Cambridge war eine der schönsten Phasen meines Lebens. Ich vermisse die Bücher, das ganze akademische Leben. Heutzutage komme ich kaum einmal dazu, die Zeitung zu lesen. Das hört sich jetzt übertrieben dramatisch an, ich weiß, aber manchmal habe ich einfach das Gefühl, dass meine Intelligenz mir zwischen den Fingern zerrinnt.«
»Das klingt danach, als stünde dein Entschluss bereits fest.«
»Das stimmt, nicht wahr? Ich glaube, du hast recht.«
»Würdest du gerne wieder nach Cambridge gehen, oder willst du irgendwo ganz neu anfangen?«
Bei
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