Zero Option: Thriller
nicht dort bleiben, wo er war. Je länger er wartete, desto mehr Zeit hatten sie, ihn einzukreisen. Er schlüpfte aus seinem Mantel.
»Was wird aus unserer Abmachung?«
»Unsere Abmachung?« Krausse lachte erneut. »Du meinst die Abmachung, die wir getroffen haben, als du mit einer Pistole auf meinen Kopf gezielt hast? Falls du tatsächlich von dieser Abmachung sprechen solltest, dann ist deine Verhandlungsposition in der Zwischenzeit entscheidend schlechter geworden.«
Vor der Schießerei war Krausse von Victor aus gesehen auf ein Uhr, die Schrotflinte auf zwei Uhr und die beiden anderen auf neun und zehn Uhr gewesen. Victor überlegte. Wenn er schnell genug war und Krausse und Schrotflinte sich nicht allzu weit von ihren Plätzen entfernt hatten, dann konnte er die beiden erledigen, bevor sie in der Lage waren, das Feuer zu erwidern. Das Problem waren aber die Typen auf neun und zehn Uhr, die ihm, falls er Krausse und Schrotflinte umbrachte, ein paar Kugeln zwischen die Rippen jagen würden. Und umgekehrt, wenn er diese beiden ausschaltete, dann würde er eben von Schrotkugeln durchsiebt werden.
Victor hörte ein Flüstern, ohne zu verstehen, was gesagt wurde. Aber er konnte sich gut vorstellen, was das Thema des Gesprächs war. Er, beziehungsweise, etwas konkreter: wie man ihn am besten umbringen konnte. Seine Gegner waren zwar höchstwahrscheinlich keine Experten für Nahkampf-Taktik, aber bei vier gegen einen war es nicht weiter schwierig, jemanden in die Zange zu nehmen. Selbst Sunzi hätte wohl erhebliche Mühe gehabt, sich in seinem Werk Die Kunst des Krieges eine praktikable Verteidigungsstrategie auszudenken. Denk nach, sagte sich Victor.
An der Decke flackerte eine Neonlampe.
Von beiden Seiten näherten sich Schritte. Nur noch wenige Augenblicke, dann würden sie von links und rechts zugleich über ihn herfallen. Er würde sterben. Keine Zeit mehr, um einen Plan auszuarbeiten.
Er drückte ab.
Kapitel 7
Die erste Leuchtstoffröhre explodierte. Funken und Glassplitter regneten von der Decke herab. Victor schoss noch dreimal und löschte drei weitere Neonlichter aus. Das fünfte und letzte befand sich direkt über ihm. Unmittelbar nach dem Schuss hob er den linken Arm zum Schutz gegen die herabprasselnden Splitter.
Schlagartig war es stockfinster in der Halle.
Victor warf sich nach rechts auf den Boden. Kopf und Arme waren nun nicht mehr von den Kisten gedeckt. Er konnte nichts erkennen, schoss aber trotzdem in die Richtung, wo vor wenigen Sekunden noch Schrotflinte gestanden hatte. Zwei Schüsse, kurz hintereinander, auf Höhe des Oberkörpers.
Ein Schrei und die folgenden schlurfenden Schritte sagten ihm, dass er einen Treffer gelandet hatte, wenn auch keinen tödlichen. Das Mündungsfeuer der Glock hatte seine Position preisgegeben, und er wälzte sich sofort zur Seite, bevor das Antwortfeuer Löcher in den Holzfußboden riss.
Victor sprang auf und rannte los, bemühte sich gar nicht erst, besonders leise zu sein, hatte nur das eine Ziel: Abstand zwischen sich und seine Gegner zu bringen. Er hatte sich den Korridor zwischen den Kistenstapeln genau gemerkt und hastete blindlings hindurch. Hinter ihm schlugen Kugeln in Kisten ein. Funken sprühten, als eine einen Metallpfeiler streifte.
Nach wenigen Sekunden blieb er stehen, kauerte sich auf den Boden, überlegte. Er befand sich irgendwo jenseits des Fahrstuhls. Er konnte nicht genau erkennen, wo, hatte sich aber einen ungefähren Lageplan eingeprägt und versuchte, sich daran zu orientieren. Er streckte die Hand aus und suchte tastend Deckung.
Victor konnte Schrotflinte stöhnen und fluchen hören. Krausse versuchte, ihn zum Stillhalten zu bewegen. Die anderen beiden gaben keinen Laut von sich. Ihre behutsamen Schritte waren leise, aber hörbar. Glas knirschte unter Schuhsohlen. Dreißig Meter entfernt vielleicht.
Victor rechnete kurz nach. Das Magazin der Glock fasste siebzehn Patronen. Sieben hatte er bereits für die Lichter und für Schrotflinte verbraucht. Blieben noch zehn. Jeder von Krausses Männern hatte etliche Schüsse abgegeben, und bis jetzt hatte keiner nachgeladen. Vermutlich würden sie das erst machen, wenn das Magazin leer war. So war es üblich. Dann bot sich Victor unter Umständen eine Chance, aber er wusste, dass das noch lange dauern konnte.
Schrotflinte hörte auf zu stöhnen. Entweder hatte er die Schmerzen unter Kontrolle bekommen oder jemand hatte ihm die Hand auf den Mund gelegt. Victor hatte keinen Sturz
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