Zero Option: Thriller
Band im Wind. Der Mann mit dem Gewehr beobachtete es einen Augenblick lang und schätzte die Windgeschwindigkeit. Acht, vielleicht auch achteinhalb Stundenkilometer. Er nahm die entsprechende Einstellung an seinem Hensoldt vor und fragte sich, wann wohl jemand die Bedeutung dieses scheinbar so harmlosen Bandes erkennen würde. Womöglich gar nie.
Er fuhr die Vergrößerung etwas zurück, um mehr von der Hotelfassade zu sehen. Nur wenige Menschen waren in der Nähe. Einige Fußgänger, ein paar vereinzelte Hotelgäste, aber keine Menschenmassen. Das war gut. Er war zwar ein exzellenter Schütze, aber da er nur wenige Sekunden zur Verfügung hatte, brauchte er unbedingt freie Schussbahn. Im Prinzip war es ihm zwar gleichgültig, ob er noch andere Personen erschießen musste, die das Pech gehabt hatten, zwischen ihn und sein eigentliches Ziel zu geraten, aber in solchen Fällen ließ sich nie ausschließen, dass die Zielperson vorzeitig über ihr eigenes bevorstehendes Ableben informiert wurde, und falls sie nicht komplett unzurechnungsfähig war, setzte sie sich daraufhin normalerweise in Bewegung.
Der Mann mit dem Gewehr blickte auf seine Armbanduhr. Das unglückselige Opfer des heutigen Tages würde in Kürze auftauchen, falls der Zeitplan, den er zusammen mit dem Dossier erhalten hatte, zutreffend war. Der Geschäftsmann hatte keinen Anlass, den Informationen seines Klienten zu misstrauen, auch wenn es das erste Mal war, dass er mit diesem Auftraggeber zusammenarbeitete.
Noch eine Drehung am Zielfernrohr, und er konnte das Hotel in seiner gesamten Breite sowie zwei Drittel seiner Höhe erkennen. In den Fenstern der obersten drei sichtbaren Stockwerke spiegelte sich das Licht der aufgehenden Sonne.
Schließlich glitt eine Limousine von der Straße in die Hoteleinfahrt und hielt vor dem Haupteingang. Ein breitschultriger Weißer in beigefarbenem Jackett und einer dunklen Jeans stieg aus und erklomm mit den schneidig-effizienten Bewegungen eines Bodyguards die Eingangstreppe. Er blickte vor und zurück, schnell und effektiv. Er registrierte sämtliche Personen in der Nähe, suchte nach Anzeichen für eine Bedrohung und wurde nirgendwo fündig.
Der Mann mit dem Gewehr spürte sein Herz schneller schlagen, während der entscheidende Moment in rasantem Tempo näher rückte. Er atmete tief ein und aus, versuchte zu verhindern, dass sein rasender Pulsschlag sich negativ auf seine Treffsicherheit auswirkte. Er wartete.
Nach einer Minute kam der Leibwächter wieder ins Freie und baute sich in der Mitte der Treppe auf. Er blickte sich noch einmal nach allen Seiten um, dann gab er ein Handzeichen in Richtung Hoteleingang. In wenigen Sekunden würde die Zielperson herauskommen. Nach Angaben des Dossiers reiste die Zielperson – ein Ukrainer – normalerweise in Begleitung mehrerer Leibwächter, die dann natürlich auch im selben Hotel untergebracht waren. Es handelte sich ausschließlich um ehemalige Militärs oder Geheimdienstangehörige. Sie würden den Ukrainer mit Sicherheit in ihre Mitte nehmen, was einen normalerweise relativ unproblematischen Schuss relativ schwierig werden ließ.
Der Mann mit dem Gewehr hatte sich für das MSG-90 entschieden, weil es eine Halbautomatikwaffe war, mit der er mehrere Schüsse innerhalb weniger Sekunden abgeben konnte. Die 7,62 x 51 Millimeter großen Vollmantelgeschosse besaßen genügend Durchschlagskraft, um einen menschlichen Körper zu durchschlagen und auch noch einen zweiten, dahinterstehenden Menschen zu töten. Darüber hinaus verwendete er Spezialpatronen mit einem Wolframkern. Für sie würden auch die Schutzwesten, die sowohl die Leibwächter als auch die Zielperson höchstwahrscheinlich trugen, kein Hindernis darstellen. Der Ukrainer konnte sich hinter zwei gepanzerten Männern verstecken und würde dennoch sterben.
Bevor der Geschäftsmann näher heranzoomen konnte, um die letzten Vorbereitungen für den Schuss zu treffen, bemerkte er ein kurzes, helles Flackern. Es kam aus einem Fenster im dreizehnten Stock des Hotels. Mit einer schnellen Bewegung hob er das MSG-90 an und blickte durch das Zielfernrohr, um den Ursprung des Lichtflecks zu suchen. Womöglich ein Hotelgast, der mit einem Teleskop oder Fernglas die Stadt betrachten wollte. Und wenn dieser Hotelgast sich oberhalb seiner eigenen Position befand, dann ließ sich nicht ausschließen, dass er versehentlich entdeckt wurde. In diesem Fall musste er das Attentat vergessen und sich sofort aus dem Staub machen. Es
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