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Zerrissen - Thriller

Zerrissen - Thriller

Titel: Zerrissen - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Schauer
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nicht schon vor fünf Monaten gesehen? Warum hatte ich nicht nachgesehen? Wieder ein Fehler, der mir unterlaufen war. Wieder mein eigenes Versagen. Ich eilte noch schnell ins Badezimmer , um das Blut von den Händen zu waschen, doch es half nicht viel. Ich putz t e mir die Zähne und testete, ob mein Atem noch sehr nach Alkohol stank. Ian wusste ohnehin, welche Probleme ich hatte, vor ihm brauchte ich mich nicht zu verstellen. Ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte und Ian das Haus betrat.
     
    „Charlotte, wo bist du?“
    „Ich bin hier oben, in Niklas Zimmer.“
    „Komm runter, ich werde nicht in sein Zimmer gehen.“
    Ian ging anders mit dem Schmerz um. Er hatte das Zimmer von Niklas seit seinem Verschwinden nicht wieder betreten, er konnte es nicht ertragen , wie er selbst sagte. Er kümmerte sich intensiv um Paul, der ebenfalls sehr verstört war und viel Zuneigung brauchte. Wieder stiegen mir die Tränen in die Augen, diesmal, weil ich mich um meinen Paul auch nicht mehr kümmerte, weil ich als Mutter komplett versagte. Als ich die Küche betrat, saß Ian am Küchentisch und hatte die Hände vor dem Gesicht verschränkt. Ich betrat, ohne etwas zu sagen , den Raum und legte ihm das Taschenmesser direkt vor seine Nase. Als er den Kopf hob, sah ich Angst in seinem Blick. Er sprang auf und schüttelte mich.
    „Charlotte, was hast du getan? Wessen Blut ist das ?“
    Ich musste mich kurz sammeln , um mir zu überlegen, wie ich ihm die Sache er klären sollte. Ian sah mir in die Augen und ich spürte eine so tie fe, ungewöhnliche Verbundenheit zwischen mir und meinem Ehemann, dass mir die Tränen kamen. Was hatte ich nur getan? Ian schüttelte den Kopf, doch auch er war den Tränen nahe.
    „Charlotte, bitte sag mir , was passiert ist! “
    Ich schluchzte.
    „Das Messer habe ich im Niklas‘ Schreibtisch gef unden. Das Messer gehört Raoul.“
    Ich legte das blutverschmierte Taschenmesser auf den Küchentisch.
    „Ich habe ihm die Kinder nie vorgestellt. Er muss irgendetwas mit der Sache zu tun haben.“
    „Mit was für einer Sache? Wovon redest du verdammt nochmal?“
    „Ich habe Raoul getötet. Heute Nacht.“
     
    Als er aufwachte war alles dunkel. Wo war er? Was war passiert? Er fasste sich an den Kopf, der höllisch wehtat. Seine Lippen waren ganz trocken und er hatte unglaublichen Durst. Instinktiv tastete er den Boden ab. Er war feucht und uneben. War er etwa unter der Erde? Sein Herz schlug plötzlich ganz schnell. Panik stieg in ihm auf. Er versuchte sich zu orientieren. Stolperte in dem kleinen Raum umher. Die Wände waren ganz nah. Er bekam Platzangst. Hilfe! Hilfe! Er wollte schreien, aber s eine Kehle war ganz t rocken. Dann drehte er sich im Kreis, stolperte, hämmerte an die Wände. Er schwitzte, ihm wurde schwindlig. Er legte sich auf den Boden und zog seine Beine an sich. Wiegte seinen kleinen Körper hin und her, hin u nd her. Dann schlief er endlich ein.

Heute
     
    Seit Stunden hielt ich nun schon meine Entlassungspapiere in der Hand. Ich saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt auf meinem Bett und umklammerte mit verschwitzen Händen die drei Seiten des Schreibens, die mir die Freiheit wieder geben sollten. Freuen konnte ich mich nicht darüber, denn mein Leb en war mir schon lange nicht mehr wichtig. Irgendetwas loderte allerdings in mir, vielleicht konnte ich nun doch endlich mein Werk vollenden. Ich wusste, dass ich mich irgendwie auf die Freiheit vorbereiten musste, dass ich einen Plan brauchte. Zu lange hatte ich in meinem Sel bstmitleid gebadet, zu lange hatt e ich meinen Sohn im Stich gelassen. Ich ha tt e die Bestie, die unsere Familie zerstört hat te, in unser Haus gelassen , und dass mein Sohn nun in seinen Fängen war, ging auf meine Kappe. Ich wusste, a uf die Polizei war kein Verlass. S ie hatten mich und meine Familie im Stich gelassen, als wir s ie am meisten brauchten. Allein würde ich es allerdings auch nicht schaffen, denn wenn ich in drei Monaten frei sein würde, stand ich dennoch unter Beobachtung. Sie würden mich nicht nahe genug an ihn heranlassen, das würden sie nicht riskieren – nicht , nachdem ich ihn fast ermordet ha tte. Fast, ja, verdammt nochmal, ich hatte es nicht geschafft, ihn zu töte n! Wieso hatt e ich nur versagt?
     
    Heute war Mittwoch und das bedeutete Gruppensitzung der Alkoholiker, dazu gehörte auch ich. Es stellte sich heraus, dass ich anscheinend bereits vor meinem großen Absturz, vor der Entführung meines Sohnes ein

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