Zerrissenes Herz (German Edition)
Trab zu halten – koste es, was es wolle.
„Was um Himmels willen machst du da? Ich komme extra aus der Stadt, um an deinem ersten Hochzeitstag auf deinen Sohn aufzupassen, und du streichst die Fußleisten?“
„Ich beize sie“, korrigierte Daisy sie. „Ich beize das Holz, weil es nötig ist.“
„Na, ich hoffe, dass ihr für das Wochenende tolle Pläne habt, da ja schon die Hochzeit kein großes Ereignis gewesen ist.“
Daisy hockte sich auf die Fersen. „Du bist deshalb noch immer sauer, oder?“
„ Moi? Sauer? Warum sollte ich sauer sein, wenn meine beste Freundin und Stiefschwester durchbrennt und heimlich heiratet?“
„So war es doch gar nicht. Es war … spontan.“
„Du warst meine einzige Hoffnung darauf, jemals Trauzeugin zu sein, aber diese Chance hat mir euer verrückter Las-Vegas-Impuls ein für alle Mal genommen.“
„Warte, ich hol nur schnell meine Geige, um ein wenig klagende Hintergrundmusik zu spielen.“ Daisy nahm den Lappenwieder in die Hand und fuhr mit ihrer Arbeit fort. Sie wusste, dass Sonnet ihr schon vor langer Zeit verziehen hatte.
„Jetzt mal ehrlich, wie läuft es so?“, wollte Sonnet wissen. „Und ich meine nicht die Holzarbeiten.“
Daisy senkte den Kopf und rieb noch härter an der Leiste. „Großartig“, antwortete sie und ignorierte dabei ein leichtes Ziehen im Magen. „Wir haben Charlie eine Familie geschenkt. Das ist alles, was ich je gewollt habe. Ich …“
Das Telefon klingelte.
„Kannst du rangehen?“, bat Daisy. „Meine Hände sind ganz dreckig.“
Lächelnd hob Sonnet den Hörer ab. „Oh, hey, Logan. Hier ist deine Stiefschwägerin. Du weißt schon, die Perfekte.“ Sie hörte einen Moment lang zu. „Okay, sicher. Ich sag’s ihr.“
Nachdem sie aufgelegt hatte, erzählte sie: „Es wird heute spät bei ihm. Ich soll dir sagen, dass du nicht mit dem Essen auf ihn warten sollst.“
Daisy nickte. Es war nicht unüblich, dass Logan das Abendessen verpasste. Seine Geschäfte liefen gut, was den Nachteil mit sich brachte, dass er oft lange arbeiten musste. Er war davon besessen, es gut zu machen. Sein Terminplan führte dazu, dass Daisy viele einsame Abende hatte. Aber sie war entschlossen, sich nicht zu beschweren.
„Also sind wir zum Abendessen nur zu dritt“, erwiderte Sonnet.
„Ruf Zach an“, schlug Daisy vor und legte letzte Hand an die letzte Sockelleiste. „Er kommt gern zum Essen, und er bringt immer einen leckeren Kuchen aus der Bäckerei mit.“
„Du versuchst immer noch, uns zu verkuppeln.“
„Du weißt, dass du ihn magst. Das hast du schon immer.“
„Zach? Er treibt mich in den Wahnsinn.“
„Das ist ein gutes Zeichen.“
„Wahnsinnig zu sein?“
„Genau.“ Gegen ihren Willen erinnerte Daisy sich daran, so in Julian verliebt gewesen zu sein, dass sie nicht hatte geradeausdenken können. Sogar jetzt noch konnte sie das Gefühl wieder hervorrufen – ein leichtes Flattern des Herzens, eine alles verschlingende Leidenschaft, die ihr wie eine Form des Wahnsinns vorgekommen war.
Sie zügelte ihre Fantasie. Sie war mit Logan verheiratet. Mit Logan. Er war ein guter Ehemann, und er hatte sein Wort gehalten. Er hatte ihr dieses Haus gegeben und aus ihnen allen eine Familie gemacht.
„Ruf Zach an“, wiederholte sie.
„Fein, wenn du meinst.“ Sonnet wählte die Nummer. „Anrufbeantworter“, sagte sie. „Hey, ich bin’s! Daisy will, dass du heute Abend zum Essen kommst. Du sollst einen Kuchen mitbringen. Und es würde mich nicht umbringen, wenn es ein Pfirsichkuchen wäre. Passt dir sechs Uhr?“
Daisy musste lächeln. Allein eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter zu hinterlassen, ließ Sonnets Augen funkeln.
„Erledigt“, erklärte Sonnet und legte das Telefon beiseite. „Nun liegt es allein an ihm.“
„Und du warst so unglaublich nett. Ich dachte, durch deine Arbeit für die UN hättest du ein wenig diplomatisches Geschick erlernt.“
„Ich bin außer Dienst.“
Daisy stand auf und betrachtete ihr Werk. Das Esszimmer erstrahlte in dem neuen Glanz des alten Holzes. Es war durch das Beizen neu belebt worden. „Hübsch, oder?“
„Das ganze Haus sieht toll aus. Die Häuslichkeit bekommt dir.“
„Hm. Ich bin mir nur nicht so sicher, ob mir das gefällt. Aber ich arbeite gern am Haus.“
Daisy hatte sich immer ein Haus am See gewünscht. Logan hatte dieses Viertel mit seinen von Bäumen gesäumten Straßen, der Nähe zur Stadt und zur Schule vorgezogen. Sie hatte das merkwürdige
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