Zerrissenes Herz (German Edition)
Weiß auszusuchen, die perfekte Farbkombination für dieses Vorzeigehaus.
Sie zog eine hübsche Jeans an und dazu ein fließendes Tanktop. Die glückliche Familie. Sie durchlebten Hochs und Tiefs wie jeder, aber am Ende des Tages war alles gut.
Meistens.
Eine Ehe war ein ständiger Prozess. Sie und Logan mussten geduldig und verständnisvoll miteinander sein, genau wie mit Charlie. Morgen Abend bot sich eine großartige Gelegenheit für etwas Zeit zu zweit. Sie hatten einen Tisch im Apple Tree Inn reserviert, um ihren ersten Hochzeitstag zu feiern.
Als Daisy sich kurz mit der Bürste durchs Haar fuhr, hielt sie mitten in der Bewegung inne.
Na toll, der Ausschlag war wieder da. Seit mehreren Monaten wurde sie nun schon von einem seltsamen Hautausschlag gequält, der kam und ging, ohne dass sie einen Auslöser dafür erkennen konnte. Vielleicht liegt es an den Putzmitteln, dachte sie und zog einen leichten Pullover über, um die Stellen zu verdecken.
„Du bist zu dünn“, sagte Sonnet, als Daisy im Garten zu ihnen stieß.
„Wer, ich?“
„Ich sehe keine anderen erschreckend dünnen Menschen hier.
Ich habe ja die Vorliebe der Romanos für Pasta und Brot geerbt, und Charlie kommt ganz nach seinem Dad. Kräftig wie ein Hafenarbeiter.“
„Genau“, stimmte Daisy zu.
„Wer ist kräftig?“, wollte Charlie wissen.
„Hey, das ist was Gutes. Es bedeutet, dass man gesund ist“, erklärte Sonnet. Das reichte Charlie offensichtlich, denn er rannte wieder los, dicht gefolgt von Blake.
Sonnet schaute Daisy an. „Geht es dir gut?“
„Ja, alles gut. Und ich bin nicht dünn.“
„Pass einfach nur auf dich auf, ja?“
Daisy schaute ihrem kleinen Jungen zu, der vollkommen ausgelassen einen Fußball durch den Garten kickte, dem sein Hund laut bellend hinterhersprang. „Ja, mach ich.“
23. KAPITEL
I ch könnte dir meine Abenteuer erzählen – angefangen am heutigen Morgen“, sagte Alice ein wenig schüchtern. „Aber es hat keinen Sinn, bis ins Gestern zurückzugehen, denn da war ich ein anderer Mensch.“
Julian legte das Buch beiseite und richtete den Rollstuhl so aus, dass er in dem schmalen Lichtstreifen stand, der einmal quer durch seine Gefängniszelle fiel. Wenn der Wind ein wenig blies, konnte er durch die Lamellen des Lüftungsschlitzes die Freiheit riechen. Es war das blaugrüne Aroma einer frischen Ozeanbrise, die vom Westen her kam und in die sich der leichtere Duft des Flusses mischte, das Parfüm der Blumen und der scharfe Gestank der Chemikalien, die zur Kokainherstellung eingesetzt wurden.
Ab und zu erhaschte er auch einen Hauch von Abgasen. Das – die Abgase – war der Geruch, der ihn am meisten faszinierte. Zusammen mit dem rasenmäherähnlichen Brummen eines kleinen Motors verriet es ihm, dass auf dem Gelände regelmäßig ein Wasserflugzeug landete und abflog. Das Flugzeug kam zweimal die Woche. An Tagen, die Julian als Montag und Freitag bestimmt hatte, obwohl er es nicht mit Sicherheit wusste. Vom Klang her zu urteilen war es zu klein, um für den Drogentransport genutzt zu werden. Es schien sich mehr um ein Transportmittel für eine einzelne Person zu handeln, vielleicht für einen hochrangigen Mitarbeiter.
Julian wünschte, er könnte nach draußen sehen. Er stellte sich vor, dass es dort einen Kai an einem Fluss gab, wo die Fracht auf Boote verladen und aufs Meer hinausgetragen würde.
In einer Trainingseinheit, die ihm damals, vor so vielen Jahren, unwichtig vorgekommen war, hatte man ihnen in verschiedenen Situationen die unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen entzogen. Wie konnte man zum Beispiel die anderen Sinne einsetzen, wenn einem die Sehkraft genommen war? In einem stockfinsteren Raum war von ihnen verlangt worden, Geräusche, Gerüche und Materialien zu identifizieren, um einen Weg nach draußen zu finden. Bei ähnlichen Übungen hatten sie gelernt, ohne zu hören oder zu sprechen zu funktionieren. Damals war es ihnen schwergefallen, sich vorzustellen, jemals in eine solche Situation zu geraten.
Während der Gefangenschaft hatte Julian allerdings gelernt, dass alles passieren konnte. Er war so oft verlegt worden, dass er sich allmählich fragte, wie viele Orte Don Benito Gamboa eigentlich kontrollierte. Die Anzahl dieser Orte musste doch irgendwie begrenzt sein.
Julian selbst hatte auch ein Limit. Und das hatte er inzwischen erreicht. Er spürte es in den Knochen. Wenn er noch ein klein wenig mehr von dieser Scheiße hier ertragen musste, würde er verrückt
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